Deutscher Hörbuchpreis 2019 für die CD „Rotes Bayern- es lebe der Freistaat!“
Wir bedanken uns ganz sakrisch bei allen, die bei der CD mitgewirkt und somit zum Erfolg beigetragen haben. Vor allem bei: Gisela Schneeberger, Gert Heidenreich, Bernhard Butz, Johanna Bittenbinder, Heinz-Josef Braun, Lukas Berk, Sarah, Tabea und Jonas Well, beimHörverlag und nicht zuletzt auch bei uns selber!
Preisverleihung am 19.März 2019 in Köln zur Eröffnung der LITCologne
Sabeeka Gangjee-Well & Hans Well
(Photo: WDR/Annika Fußwinkel)
Vergangene Live Veranstaltungen
23. November ErlangenErlangen Heinrich-Ladeshalle
21.Oktober 2018 CD Präsentation im Literaturhaus München
08.November 2018 im Bayerischen Landtag
07.Februar 2019 im Residenztheater München
13.April 2019 im Volkstheater München
06. Oktober 2019 Kellberg Kurgästehaus
24. Oktober 2019 Starnberg Schlossberghalle
Schaurig-schöne Reise zu den Ursprüngen
Florian Sendtner
Bayerischer Staatsanzeiger vom 01.Juni 2018
Hundert Jahre Freistaat! Während die Redenschreiber von Markus Söder jetzt schon schwitzen, was sie ihrem Chef ins Manuskript für die Gedenkfeier am 8. November schreiben sollen, hat Hans Well schon mal kräftig hingelangt. Der jahrzehntelange Leadsänger der Biermöslblosn und jetzige Kopf der Wellbappn führt in einem gut zweistündigen Hörbuch die Revolution von 1918/19 so plastisch vor Augen, dass es wehtut.
Im November diesen Jahres wollte Horst Seehofer das Museum der bayerischen Geschichte in Regensburg einweihen. Aber da kam einiges dazwischen. Erstens ein Brand auf der Museumsbaustelle, der die Fertigstellung um Monate verzögerte, zweitens ist Seehofer mittlerweile nicht mehr in der passenden Funktion für die Eröffnung. Und drittens ist ihm jetzt Hans Well zuvorgekommen. Denn der Textschreiber der Biermöslblosn, der nach deren Ende nahtlos mit seiner neuen Formation Wellbappn weitermachte, hat sich in das Museum der bayerischen Geschichte eingeschlichen, noch bevor es glanzvoll eröffnet werden konnte.
Subversiv, wie es seine Art ist, ist Hans Well in den Museumskeller eingestiegen – natürlich nur im Geiste. Und er hat eine ganze Combo von Freunden mitgebracht. Nicht nur seine komplette Familie (Familie im engeren Sinn: seine Frau Sabeeka Gangjee-Well als Co-Autorin und seine drei Kinder als Musikanten), sondern auch den Schriftsteller Gert Heidenreich und die Schauspieler Heinz-Josef Braun, Bernhard Butz, Gisela Schneeberger und Johanna Bittenbinder.
Das Ergebnis ist ein Hörbuch vom Feinsten, das in gut zwei Stunden die Geburt des Freistaats Bayern vor hundert Jahren erklärt, so amüsant wie möglich und so drastisch wie nötig. Denn die famose Gesellschaft erkundet unter der resoluten Führung von Gisela Schneeberger die Katakomben des Museums der bayerischen Geschichte, und zwar insbesondere die bislang nicht zugängliche „Abstellkammer der Münchner Revolution 1918/19“. Es beginnt mit dem Ersten Weltkrieg, mit den Eroberungshalluzinationen von König Ludwig III. (Elsass, Antwerpen), denen in der Realität nur Hunger und Tod gegenüberstehen. Fast in jeder Familie ist entweder der Vater oder ein Sohn gefallen. Die Runkelrübe avanciert zum Hauptlebensmittel, Professoren beweisen, dass Kleie denselben Nährwert hat wie Mehl, doch die Theorie „dringt nicht bis zum Magen“. Es gibt Hungerdemonsrationen und schließlich die ersten Munitionsarbeiterstreiks. Und Hans Well intoniert „Ich hatt einen Kameraden“ und später die Hungerparodie „Ich hatt einen Schweinebraten“.
Mit vielen Originaltexten von 1918/19, teils von den üblichen Verdächtigen wie Oskar Maria Graf und Felix Fechenbach, teils von nicht ganz so Bekannten wie dem Münchner Rechtsanwalt Max Hirschberg, wird das Geschehen vor hundert Jahren lebendig, und die (immer kurzen) Lieder und Musikstücke MarkeWell sorgen für beste Unterhaltung. Da stellt jemand aus der Besuchergruppe die Frage: „Hats denn die SPD damals gleich zweimal geben?“
Es folgt die Erklärung der Spaltung der SPD in Unabhängige (USPD) und Mehrheitssozialdemokraten (MSPD) 1917, und der Anführer der USPD, Kurt Eisner, der am 7./8. November 1918 entschlossen den Freistaat ausruft, wird aus ungewöhnlicher Perspektive porträtiert. Victor Klemperer, bekannt durch sein Jahrhunderttagebuch, beschreibt Kurt Eisner aus nächster Nähe so: „Der Witz ersetzt ihm fast immer das Pathos.“
Wer könnte die Verwunderung besser ausdrücken als Gisela Schneeberger mit ihrer spitzen Stimme: „Sie müssen sich des amal vorstellen: Eine Revolution in Bayern! In München! Von die Roten! 750 Jahre Wittelsbach erledigt! Ruckzuck! Aus, Äpfe, Amen!“ Und das ohne einen Tropfen Blutvergießen. Bis zur Ermordung Eisners. Von dem der Satz stammt: „Jedes Menschenleben soll heilig sein.“ Nach dem millionenfachen Töten im Weltkrieg war das kein übertriebenes Pathos. „Der Eisner und de andern geben uns des Menschenrecht / Ganz wurscht, wo oaner herkimmt, koaner is vo Haus aus schlecht“, heißt es in einem Lied.
Das klingt vielleicht simpel, aber genau das war 750 Jahre lang unverrückbare Grundlage der Gesellschaftsordnung: Knecht bleibt Knecht. Und reimt sich auf schlecht. Es ist einiges geboten in diesem halben Jahr von November 1918 bis Mai 1919. Vom Autounfall mit tödlichem Ausgang für den revolutionären Bauernbündler Ludwig Gandorfer bis zum Flugzeugabsturz, den der Schriftsteller Ernst Toller überlebt, der bei der Verteidigung Münchens gegen die Freicorps zunächst erfolgreich ist.
Doch Anfang Mai 1919 wird die bayerische Räterepublik, zu der sich der Freistaat unter dem Druck der Ereignisse fortentwickelt hat mit Stumpf und Stiel ausgemerzt. Erich Mühsams Lied vom Revoluzzer, der im Zivilstand Lampenputzer ist, feiert in einer Well-Vertonung fröhliche Urständ, und Zenzl Mühsam schreibt einen herzzerreißenden Brief an ihren allerliebsten Gatten.
Am Ende, nach der Niederschlagung der Revolution, geht Oskar Maria Graf ins Leichenhaus am Ostfriedhof. Die wenigen Gefallenen der Weißen sind blumenbeladen und mit weißblauen Bändern aufgebahrt, aber niemand geht zu ihnen. Alle strömen zu einem kellerartigen Nebengebäude, in dem die übel zugerichteten Leichen der Arbeiter auf dem Boden liegen. Graf taumelt von einem Toten zum nächsten, bei hundert hört er zu zählen auf. Es folgt das Lied vom Alten Peter und der Münchner Gemütlichkeit, die niemals ausstirbt.
Neue CD „Rotes Bayern- es Lebe der Freistaat“
Erschienen: 29.05.2018
Gesprochen von Bernhard Butz, Johanna Bittenbinder, Gisela Schneeberger, Heinz-Josef Braun, Gert Heidenreich, Hans, Sarah, Tabea und Jonas Well.
Musik und Lieder von Hans Well und den Wellbappn mit Lukas Berk.
„Es ist vielleicht das beste neue Geschichtswerk zur Revolution 1918 in Bayern.“
Dirk Walter im Münchner Merkur vom 02. Juni 2018
Den kompletten Artikel von Dirk Walter finden Sie hier:
Hörprobe Rotes Bayern
Vorwort von Hans Well zur CD Rotes Bayern
Von der Münchner Revolution am 7. November 1918 erfuhr ich während meiner gesamten Schulzeit so gut wie nichts. Zwar lernte ich, wie blutig die Französische Revolution die Monarchie beseitigt hatte, dass aber unter der Führung von Kurt Eisner
◊ die bayerische Monarchie ohne Blutvergießen abgeschafft,
◊ der Freistaat Bayern gegründet,
◊ der 8-Stunden-Arbeitstag sowie das Frauenwahlrecht eingeführt und
◊ die Aufsicht der Kirche über die Schulen abgeschafft wurde,
davon erfuhr man in bayerischen Schulen früher rein gar nichts. Für die Bayerische Staatsregierung passte der sozialistische Gründer offenkundig nicht ins rechte Weltbild. Dabei war die Zeit vom 7. November 1918 bis zum 1. Mai 1919 in München mit Sicherheit der interessanteste Versuch, Deutschland nach der Katastrophe des Ersten Weltkriegs eine neue Ordnung zu geben. Die Voraussetzungen für die Revolutionsregierungen waren denkbar schlecht, denn die hohen Erwartungen konnten in Zeiten von Not und Mangel nicht erfüllt werden. Dafür, dass Eisner und seine Mitstreiter in der Situation der militärischen Niederlage eigentlich keine Chance hatten, nutzten sie diese allerdings erstaunlich gut.
Die Geschichte vom Sturz der Monarchie bis zum Ende der zweiten Räterepublik wurde nach der blutigen Beendigung von bürgerlichen und reaktionären Kreisen stigmatisiert und totgeschwiegen. Noch heute gilt vielen Konservativen die Sichtweise der damaligen Gegner, es hätte sich dabei um einen Revolutionsfasching weltfremder Spinner oder Träumer gehandelt, der den Bayern von landfremden Agitatoren aufgezwungen worden sei. Dabei legten diese „Spinner“ den Grundstein für unseren Freistaat, unsere Demokratie – die blutige Niederschlagung der Räteregierung durch Freicorps und Reichstruppen hingegen das Fundament für den Nationalsozialismus. Es zeugt von großer Kleingeistigkeit, dass die historischen Verdienste Kurt Eisners von der Bayerischen Regierung auch 100 Jahre später noch immer ignoriert werden. Hätten nicht so viele bedeutende Schriftsteller, die Zeugen der Vorgänge wurden, darüber geschrieben, wäre die Strategie des Verschweigens vermutlich aufgegangen.
Die begrenzte Zeit einer Doppel-CD zwingt leider zu schmerzhaften Schnitten bei der Fülle zeitgeschichtlicher Literatur von Autoren wie Oskar Maria Graf, Ernst Toller, Victor Klemperer, Heinrich und Viktor Mann, Lion Feuchtwanger und anderen.
Immerhin titelte der Bayerische Staatsanzeiger im Januar 2018 einen Beitrag über den ersten Bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner: Ein bayerischer Held. Wir wünschen uns, dass diese zwei CDs einer breiteren Öffentlichkeit ein gerechtes Bild dieses völlig unheroischen Helden und seiner Feinde, vermitteln können.