Pressearchiv-Wellbappn
Gegen Despoten und Missbrauchsleugner
Hofgartenkabarett: Hans Well & die Wellbappn mit bitterbösen Texten zu feinster Volksmusik
Main Echo | MELANIE POLLINGER Kritik von 12.09.2022
»Der Söder hat die Mainbrück’n Richtung Hessen g’sperrt!« Informiert sein über die neuesten Aufreger in ihren Auftrittsorten – auch wenn sie am Ende der bayerischen Welt liegen – hat Tradition in der großen Volksmusikerfamilie Well aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck.
Deshalb sind Hans Well und seine Kinder, die Wellbappn, auch bei ihrem Gastspiel im Hofgartenkabarett voll im Bild über Aschaffenburg, »die europäische Zentrale für Kokain«.
Die Wells mit der frechen Bappn – so heißt Mundwerk auf Oberbayrisch – wissen zum Beispiel auch, dass im nahen Alzenau eine Tochtergesellschaft der Nukem zur Rosatom-Gruppe gehört und Atombrennstäbe für Russland liefert. Oder dass ein Aschaffenburger, der frühere bayerische Justizminister und CSU-Politiker Winfried Bausback, den Masken-Untersuchungsausschuss im Landtag leitet.
Papa Hans Well (69) – bekannt als Multi-Instrumentalist und Texter der 2012 aufgelösten Kabarett- und Musikgruppe »Biermösl Blosn« – und seine ebenfalls hochmusikalischen Kinder Sarah (31), Tabea (29) und Jonas (26) haben sich am Freitagnachmittag erst mal im »Schlappeseppel« umgehört und das Bier dort probiert. Das jedenfalls erzählt das Quartett den rund 100 Zuhörern im Hofgartenkabarett das als mögliche Begründung dafür, dass der Senior ein paarmal über seine eigenen Texte stolpert.
Andererseits sind die spöttischen bis bitterbösen Gstanzln – an denen die Wellbappn-Kinder oft mitarbeiten – so komplex gereimt, dass nur Experten derlei Sätze fehlerfrei über die Lippen bringen: »Aba wann a Araba am Arba arbatat, frogat a: Is Lam a Bad?« Das Liedchen handelt übrigens von Lam im Bayerischen Wald. Das 2600-Einwohner-Marktstädtchen träumt davon, zum international gefragten Wellness-Badeort aufzusteigen.
Ein sprachlicher Hochseilakt ist die Derbleckerei des vorgeblich ökobewussten Nachbarn in Hausen. So nennt Hans Well seinen Wohnort Zankenhausen. Der Nachbar wird als verlogener Umweltzerstörer entlarvt. »Ich kühl mit meinem neuen Porsche das Klima« behauptet der und lehnt jede Art von Verbotskultur ab. Stattdessen geht er auf Hurtigruten-Nordpoltour.
An drei großen Zielscheiben für Hohn und Spott arbeiten sich die Wellbappn in Rage, und das musikalisch hinreißend: an den Großkopferten in der Münchner Landesregierung, den Missbrauchsleugnern in der katholischen Kirche und am russischen Despoten Putin. Wie schön wäre es gewesen, »wenn in Moskau statt dem Gorbi waar der and’re gstorbi«, singt das Quartett.
Sarah und Tabea spielen auf der Geige eine herzzerreißend traurige Melodie zur Wellbappn-Version des Lügen-Gedichts »Dunkel war’s der Mond schien helle«. Darin fahren Panzer blitzschnelle langsam um die Ecke in der Ukraine, die Friedenstaube liegt im Sturzflug im Dreck, saubere Hände sind blutbefleckt, und »Butscha steht für Menschlichkeit«.
Auf Latein, mit ein paar bayerischen Stoßseufzern dazwischen, ist die urkomische Litanei auf die bayerische Maskenaffäre. Trotzdem ist die Botschaft, adressiert an die Patrona Bavariae, leicht zu entschlüsseln. Es geht um canali obscuri und eine Andrea filia tandlerensis. Dann die Lesung »aus dem Buche Bayerns« mit den wunderbaren Wandlungen des »Markus des Unbefleckten« zum »Hinterfotzigen«, »Wankelmütigen« und »Naturfreund«, der die Biene Maja rettet aber nicht die Melanie Huml.
Schenkelklopfer und Ernstes wechseln blitzschnell. Keinen Spaß mehr kennt das Quartett beim Thema Missbrauch, »dem ältesten Brauch in der Kirche«. Das Lied vom Bibel-Einzelunterricht – »Beim Noah auf Berg Sinai legt der Pfarrer dem Buam die Hand aufs Knie« – endet mit einem handfesten Fluch: »Und ändern tuat si nix, Himmiherrgottsackldifix!« Es gebe weder Opferentschädigung – »das Ordinariat bekreuzigt sich« – noch ein Eingeständnis. »Schuld sind die andern« für den »Benedetto«.
Damit es wieder etwas zum Lachen gibt, spielt Sara schnell auf der »Heigeign« eine Melodie aus dem letzten Irland-Urlaub der Familie. Das Instrument – optisch mit einer Mini-Tuba aufgepeppt – sei gut gegen Holzwurmbefall und Fußpilz, flunkert Hans Well. Und verrät nicht, dass eine »Heugeige« in Wirklichkeit ein Holzgestell zum Trocknen von Heu ist.
Jedenfalls spielt Sarah super, begleitet von Tabea am Akkordeon, Jonas an der Tuba und Papa an der Gitarre. Die Vier haben es musikalisch einfach drauf und können jodeln wie die Weltmeister zur traurigen Geschichte vom letzten Selfie der Elfi auf dem Bahngleis. Tabea, die Geige studiert hat, glänzt mit einem feurigen Czardas, und Hans Well wirft sich in die Brust: »Ich war ihr Geigenlehrer!«
Und sauft a volle Maß Glyphosat
Is Lam a Bad? Die Well-Familie setzt in vorzüglichen Mundart-Liedern ihre satirische Tradition fort
Frankfurter Allgemeine Zeitung | TIMO FRASCH Besprechung von 14.04.2020
Das jüngste Album der bayerischen Band Wellbappn ist so gut, dass es sich hinter keinem lyrischen Ich verstecken muss. Die zehn Lieder leben von den Texten aus der Feder von Hans Well, dem Vater in der Familiencombo. Sie entfalten ihre volle Wirkung allerdings erst zusammen mit der Stuben- und Gstanzlmusi, die so wunderbar harmlos daherkommt wie ein Bacherl mit einem Brückerl an einem Frühlingstag zwischen Spessart und Karwendel – nur halt in Zeiten von Corona. Der Albumtitel „Didl-Dudl“ wiegt den Hörer zusätzlich in Sicherheit. Doch die Hinterfotzigkeiten lassen natürlich nicht lange auf sich warten, sie kommen spätestens am Ende eines jeden Verses und fühlen sich dann an, als würde man sich im Homeoffice mit seinem halboffenen Bademantel in der Türklinke verfangen, es aber erst nach einem Meter Weiterlaufen merken. Zur Kunst von Wellbappn – neben dem Vater sind das die Töchter Sarah und Tabea sowie Sohn Jonas – gehört freilich auch, dass man dennoch den Eindruck hat, sie seien Menschenfreunde, und zwar mit allem, was zum Menschlichen dazugehört.
Wellbappn besetzt von der Digitalisierung („Digital Kindergarden“) über den Klimawandel („Tegernsee Aloha-e“) bis hin zum sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche („Biestum Bayern“) ein breites Themenspektrum – manche Partei hätte sich daran im Landtagswahlkampf ein Beispiel nehmen können. Man merkt den Wells an, dass sie wissen, wovon sie singen. Etwa in der Landwirtschaft – auf diesem Feld hatten Hans Well und die legendäre Band Biermösl Blosn der Well-Brüder einst mit dem Lied „Gott mit dir, du Land der BayWa“ schon eine tiefe Furche gezogen: „Gott mit dir, du Land der BayWa/deutscher Dünger aus Phosphat/Über deinen weiten Fluren/liegt Chemie von fruah bis spaat.“ So hieß es vor 40 Jahren, das Volksbegehren „Rettet die Bienen!“ schon vorausahnend. Heute: „Morgn versteigerns an Hof drinna im Amt/Da Sepp, der hot sei Stubn zamgrammt/Dann geht er zum Pflanzenschutzdeputat/und sauft a volle Maß Glyphosat.“ Nicht viel besser als dem Sepp ist es Olching ergangen. Die „Perle vom Amperland“ liegt im Landkreis Fürstenfeldbruck, da, wo Wellbappn herkommt: Wer schon mal in Olching war, in der Stadt, die immerhin die am Alkohol zugrunde gegangene 1860er-Legende Rudi Brunnenmeier hervorgebracht hat, der weiß, dass Flächenfraß in Bayern kein Hirngespinst der Grünen ist: „Dein McDonald’s an der Tankstelle/das Logistikcenter mit Flachdach/die Outlet-Hallen und von ferne grüßt/die Müllverbrennungsanlage Geiselbullach.“ Der Genuss beim Hören wird übrigens noch größer, wenn man vor dem inneren Auge all die Pendler vorbeifahren lässt, die sich verbissen glücklich schätzen, dass sie im Einzugsgebiet von München eine Dreizimmerwohnung für 900 000 Euro ergattert haben.
Ganz kann das Album allerdings nicht verbergen, dass es für kritische Geister auch in Bayern nicht einfacher geworden ist. Als sich 2012 Biermösl Blosn auflöste, hat Hans Well schon beklagt, die CSU sei auch nicht mehr das, was sie einmal war. Das stimmt heute umso mehr. Sie ist zu grün, zu schwach, zu verständnisvoll, um sie kabarettistisch so richtig schön durchzulassen. Während Franz Josef Strauß Kulturmenschen noch umstandslos als „Ratten und Schmeißfliegen“ betitelt hat, ist bei Söder inzwischen „Feuilletonist“ das Maximum an übler Nachrede – und selbst damit hat er aufgehört. Dass der Ministerpräsident zur fünften Startbahn am Münchner Flughafen „steh duat“, wie es in „Tegernsee Aloha-e“ heißt, wirkt jedenfalls nicht übermäßig zwingend angesichts der Tatsache, dass er seinem Koalitionspartner Freie Wähler sogar den Verzicht auf eine dritte Startbahn versprechen musste – von seinen grünen Anwandlungen ganz abgesehen. Auch die Trias „Söder, Dobrindt und Seehofer“ im Lied „Lobeshymne der Saxen“ über Rechtsradikalismus verliert etwas an Überzeugungskraft, wenn man bedenkt, dass Söder zuletzt in München an der Seite von Künstlern auf einer Demonstration gegen Rechtsradikalismus sprach. So gesehen sind die allerneuesten sehr guten Umfragezahlen für die CSU auch gut für die Kunst – die Partei könnte zur alten Selbstüberschätzung zurückfinden.
Am besten ist das Album dort, wo Wellbappn zeigt, wie spielerisch leicht sie ihr Handwerkszeug beherrschen. Auf die Instrumente trifft das sowieso zu; von den wunderbaren Live-Auftritten weiß man, dass die Bandmitglieder diese wechseln wie Lady Gaga ihre Bühnenoutfits. Aber es gilt eben auch für die Sprache. Herausragend: „Hättat, waarat, daadat“: „Aba moanst du, dass de Mohamedana-Manna oamoi Schnee rama dan?“
Was die Wells in der Sprache, zumal im Dialekt, entdecken, ist famos. Wie sie verborgene Verbindungen und geheime Genealogien freilegen, scheinbar ohne dass es das lyrische Ich, das zum Teil sehr borniert sein kann, überhaupt merkt: „Im Lamer Winkl im Boirischn Woid/Do pfeift da böhmische Wind so saukoid/Doch d’Leit in Lam, de hom an Traam/Sie dadn so gern a Wellnessbad ham/Na wars in Lam und um Lam rum nimma so fad/Aba wann a Araba am Arba arbatat, frogat a: Is Lam a Bad?/Aba wann a Araba am Arba arbatat, frogat a: Islamabad?“ Vielleicht kann man damit manchen CSUler und all die anderen Dackel sowieso viel mehr ärgern als mit Spott über ihren Ministerpräsidenten: wenn man ihnen vor Augen führt, dass der Weg vom Bayerischen Wald nach Pakistan sehr kurz sein kann – und dass Bairisch womöglich näher mit Urdu als mit dem Hochdeutschen verwandt ist.
TIMO FRASCH
Güllebohrung im Bayernland
Nicht nur die Dachauer bekommen bei Hans Well und seinen Wellbappn ihr Fett weg, auch Bauern, Autoindustrie, die CSU und der Ministerpräsident. Alles schön verpackt in bairischen Reimen, musikalisch untermalt, so wie es das Publikum im Thoma-Haus liebt
Süddeutsche Zeitung vom 17.02.2019 Von Renate Zauscher, Dachau
Foto: Toni Heigl
Schon vor Beginn der Veranstaltung, beim Blick auf die Bühne, wissen die Besucher im Thoma-Haus, was sie erwarten dürfen. Da stehen und liegen unterschiedlichste Instrumente bereit: ein mächtiger Kontrabass, eine riesige Tuba, Geige und Bratsche, Akkordeon und Gitarre, sogar ein etwas urtümlich aussehendes Gerät, das sich Brummtopf nennt. Ein klarer Hinweis darauf, dass Hans Well und seine mittlerweile erwachsenen Kinder, die Wellbappn, im Leierkasten erwartet werden. Wie viele in der großen Well-Familie sind auch seine Kinder musikalische Multitalente. „Larifari“ hat Hans Well das neue Programm genannt. Das klingt nach bayerisch-frechem Kasperltheater. Das lässt schon erahnen, wie respektlos Vater und Kinder Well die Zeitläufe und augenfälligsten ihrer Protagonisten aufs Korn nehmen werden. Aber zunächst sind die Dachauer selbst Ziel ihres Spotts: die Stadt im „paradiesischen Speckgürtel“ Münchens, wo im Krankenhaus „am besten der Pflegenotstand funktioniert“, oder wo man mit dem „Schwarzen Graben“ ein schlagendes Argument gegen Flächenfraß hat. Wo aber auch die AfD frustriert erkennen muss: „Dachau ist nimmer das, was es einmal war“, weil „auf jeden AfD-Treffen-Teilnehmer mindestens 30 Gegendemonstranten kommen“. Klar, dass dieser Spott ebenso wie die frechen Kommentare über das heimatliche „Hausen“, in dem man bei der Suche nach nutzbarer Geothermie nur auf Gülle gestoßen ist, in Form bairischer Gstanzln daherkommt: Auch die Biermösl Blosn, deren intellektueller Kopf Hans Well war, hat ihre bitterböse Kritik an der gesellschaftlichen wie politischen Lage immer volksmusikalisch verpackt. Es ist faszinierend, wie das klappt mit dem Musizieren von Hans Well und seinem Nachwuchs: Die Instrumente gehen auf der Bühne von Hand zu Hand. Mal nimmt Sarah, mal Tabea das Akkordeon zur Hand. Mal spielt Jonas auf der riesigen Tuba, mal auf Bass oder Trompete. Selbst dem Brummtopf kann er eindrucksvolle Geräusche entlocken. Sarahs Instrument ist meistens die Bratsche, Tabea brilliert in Stücken wie dem ungarischen Csardas wie ein Zigeunerprimas auf der Geige. Sie ist diejenige im Geschwistertrio, die die Musik zu ihrem Hauptberuf machen will und an der Hochschule in München studiert. Hinter bayerisch-weltmusikalischer Vielseitigkeit und der Lustigkeit von Hans Wells Sprachbildern und seinem inhaltlichen Einfallsreichtum verbirgt sich aber – wie könnte es anders sein bei einer Well-Formation – ein höchst kritischer Blick auf die nicht immer nur lustige Gegenwart. Viele der Texte sind brandaktuell: Das „Klagelied aus dem Zyklus der Klagelieder“ etwa, in dem die Bauern von ihrem traurigen Los singen. Sie seien „die ärmsten, ohne Narkose kastrierten Schweine“ im Land. Daran sind natürlich vor allem die Grünen schuld: „Die woll’n a Blumenparadies, obwohl der Boden unsrer is“. Ob Klimawandel mit „Malariazone im Allgäu“ und „zehn Millionen Bangladeschi vor Salzburg“, ob bayerische Weltraumfantasien, bei denen die CSU zuletzt von einem Schwarzen Loch verschluckt wird, oder der Spott über die Autoindustrie und ihre Lobby: Hans Well hat für alle und alles bitterböse Kommentare bereit. Zu voller Form politischen Kabaretts läuft Well auf, wenn er aus dem von ihm immer auf den neuesten Stand gebrachten „Buche Bayerns“ liest und dabei natürlich vor allem einen Herrscher namens Markus im Blick hat: „Markus den Frommen“ nämlich, wahlweise auch „Markus den Hinterfotzigen“, den „Blender“ oder neuerdings den „frisch Ergrünten“, den „Naturfreund“, der seine nächste Sitzung in einem Baumhaus im Hambacher Forst abhalten will – natürlich nicht ohne vorher ein Kreuz daran befestigt zu haben. Für Hans Well ist die Welt eine Fundstätte erschreckender, grotesker, auch belustigender Steilvorlagen für seine Texte. Und auch wenn manche davon erst am Morgen vor dem Auftritt entstehen und auf der Bühne improvisiert werden muss: Hans Well und die Wellbappn haben inzwischen ein Niveau erreicht, das durchaus an das der Biermösl Blosn zu ihren besten Zeiten heranreicht. Entsprechend begeistert ist das Publikum im Thoma-Haus – gerade dort, wo Wells Spott mitten ins Herz der bayerischen Politik zielt. Politisch ist auch ein anderes Projekt von Well und seiner Frau Sabeeka Gangjee-Well: Sie haben den Deutschen Hörbuchpreis 2019 in der Kategorie Sachbuch für das von ihnen zusammengestellte Hörbuch „Rotes Bayern – Es lebe der Freistaat“ erhalten. Als Lesung mit Texten von Zeitgenossen der Münchner Revolution 1918 und mit Musik der Wellbappn hatte es vor Kurzem Premiere im Residenztheater.
Mut zur Meinung
Rotzfreche Wellbappn Bitterböse Volksmusik, bissiges Kabarett, scharfsinnige Satire: Die Biermösl Blosn mag sich aufgelöst haben, ihr Geist lebt fort: Hans Well gastierte mit seinen Wellbappn bei den Ingolstädter Kabaretttagen und begeisterte das Publikum.
Bitterböse Heimatlieder: Hans Well und seine Wellbappn begeistern bei den Ingolstädter Kabaretttagen
Hans Well & Wellbappn: Rotzfreche Biermösl 2.0 mit bitterböser Volksmusik
von Wolfgang Spitzbart
Photos Wolfgang Spitzbart
meinbezirk.at vom 16.03.2018
LAAKIRCHEN. Ende und Anfang in Steyrermühl: Dort, wo vor sechs Jahren die verblichene Biermösl Blosn vor ihrer Trennung ihr letztes Österreich-Abschied spielte, im Kulturzentrum Alfa, ausgerechnet dort gab es Donnerstagabend das erste Österreich-Konzert einer der beiden Nachfolgegruppen – Hans Well & Wellbappn, sozusagen Biermösl reloaded. „Das ist unsere Österreich-Premiere“, so der Biermösl-Veteran Hans Well, der gleich zu Beginn klarstellte: „Weil wir hier in einer alten Papierfabrik sind: Wellbappn, das hat nix mit Pappe zu tun, nein ihr wisst‘s schon – gemeint ist die Bappn, also das Mundwerk.“ Und was assoziert man sofort mit Bappn? Natürlich: Freche Bappn. Und so kam es dann auch: Zwei Stunden bitterböse Volksmusik, bissiges Kabarett, scharfe Satire. Das altbekannte Feindbild blieb erhalten – das bayerische Konglomorat aus CSU, Staatsregierung, jeweiligem Ministerpräsidenten, BayWa, Raiffeisen, Betonlobby, Kirche, Traditionsverbänden und Agrarindustrie.
Rotzfreich seit über 40 Jahren
Heimattümelei, Kitsch und falsch verstandene Trachtensentimentalität sind es der Familie Well so gar nicht. Rotzfrech kämpfen sie musikalisch gegen alles, was rechts steht. Ein listiges und spöttisches Ansingen gegen die bayerische Obrigkeit, dumpfbackenen Provinzialismus und trachtlerische Seligkeit. Und die Wells nehmen sich dabei auch gern selbst auf die Schaufel. Hans Well, der mit den Brüdern Christoph und Michael vor über 40 Jahren die legendäre Biermösl-Blosn gründete und mit ihr 35 Jahre lang durch die Lande zog, ist also wieder da. Mit seinen drei Kindern Tabea, Sarah und Jonas, den Wellbappn, wurde er noch kantiger, schärfer und kritischer. Schräger Wortwitz gepaart mit Hohn gegen die selbstgefällige Obrigkeit. Die vier sind aber auch außergewöhnliche Multi-Instrumentalisten, blitzschnell wechseln sie auf der Bühne die Instrumente – von der Steirischen zur Gitarre, von der Trompete zum Kontrabass, vom Akkordeon zum Saxophon, von der Geige zum Kazoo. Musikalität liegt der großen Familie Well einfach im Blut.
Schon mit dem Einstieg – ein paar bissige Gstanzln über Laakirchen und seine Lokalpolitik, über den Landeshauptmann, die österreichischen Burschenschaften – hatten die Wells die Sympathien des Publikums auf iher Seite, Beifall und Lacher. Die zogen sich durch das ganze hinreißende Programm bis zu den Zugaben.
Bitterböse Heimatlieder
Bitterböses auf Bayrisch
Hans Well & Wellbappn im Gutmann am Dutzendteich
Hans Well & Wellbappn empfalen sich in Nürnberg als legitime Nachfolger der Biermösl Blosn
von Peter Gruner
Nürnberger Stadtanzeiger vom 24.10.2016
Kinder, so sagt man, sind heutzutage oft genug ein Armutsrisiko, aber sie können auch eine Altersversicherung sein: Nach dem Ende der aus drei Brüdern bestehenden „Biermösl Blosn“ im Jahr 2012 musste deren Chef-Texter Hans Well nicht lange nach neuen Mitstreitern suchen, sondern sich lediglich im engsten Familienkreis umsehen. Mit seinen Kindern Sarah, Tabea und Jonas ist er seit 2013 als Hans Well & Wellbappn unterwegs, vor einem Jahr hat die Familienbande ihre zweite CD „Schneller“ veröffentlicht.
Schneller? Keine Bange: Trotz der Verjüngungskur ist die legitime „Biermösl“-Nachfolge-Kapelle keinesfalls gewillt, schnelllebigen Trends zu folgen, sondern pflegt vielmehr die lang gewachsene Kultur des bayerischen Musikkabaretts. Er ist der altbewährte Mix aus heimelig-gemütlicher Volksmusik und brandaktuellen satirischen Texten, der auch in vollbesetzten Gutmann am Dutzendteich seine Wirkung nicht verfehlt.
Gleich beim ersten Stück wird scharf geschossen: die ersten Opfer sind Julia Lehner, Markus Söder, der dreckige Dutzendteich und der langsame Frankenschnellweg. Doch die oberbayrische Heimat der Wells kommt als Land, in dem Hausfrauen mit dem Geländewagen zum Billig-Discounter fahren, keineswegs besser weg. Harmlos im Vergleich zu den Grotesken und bitterbösen Realsatiren , die noch folgen: Das Lied vom Wirtshaus, welches von den Dorfbewohnern angezündet wird, damit es nicht als Asylbewerberheim genutzt werden kann, klingt absurd, ist aber pechschwarze Realität, genauso wie das Couplet vom Regen, der ganze Dörfer wegschwemmt, während in Bayern aber munter weiter Landschaften versiegelt und Flüsse begradigt werden.
Lachen macht wach
Dass uns all dieser Irrsinn, all diese durchsichtige Doppelmoral und selbstgefällige Arroganz nicht zum Weinen, sondern zum Lachen bringt, das ist das große Verdienst dieser modernen Bänkelsänger, denn Lachen macht schließlich wach. Der Vater und seine Sprößlinge haben bei all dem viel Spaß, tauschen wie wild die Instrumente (von denen sie alle erschreckend viele beherrschen), wechseln sich beim Singen genauso ab wie mit den Ansagen und die Jungen helfen dem Papa gern mal liebevoll frozelnd auf die Sprünge, wenn der seinen Text vergißt.
Nach einem viel beklatschten Abend geht man mit dem beruhigenden Wissen nach Hause, dass Bayrische Volksmusik noch immer ein subversives Gegegewicht sein kann zur weiß-blauen Trachtenseeligkeit. Well done!
Hans Well & Wellbappn – Bayern-Satire-Power vom Feinsten!
PLÄRRER- DAS STADTMAGAZIN Dez.2016
Hans Well & Wellbappn: Das ist das Beste, was Bayern in Sachen Musik-Kabarett oder besser: Musik-Satire zu bieten hat! Well, schon immer der Kopf der verblichenen Biermösl Blosn gewesen, erwies sich in diesem Konzert als mittlerer Orkan des realsatirischen Wortwitzes – gesungen wie gesprochen. Und sein munteres Trio, bestehend aus zwei multiinstrumentalen Töchtern und Sohn an der Tuba, lässt ihn keineswegs alt aussehen. Im Gegenteil, sie ergänzen und verstärken einander mit enormer Energie und Spielfreude: Sarah, Tabea und Jonas. Glänzend die samt und sonders neuen, schön hohnlachenden Texte und Couplets von Hans Well: allesamt sehr konkrete Realsatiren darüber, wie Bayern-Insassen mit Ignoranz und Arroganz das süße Leben sauer werden lassen. Die Wellbappn: neue Meister der Moritaten über das Niedertrachtentum!
Die Wellbappn singen schön böse Lieder
von Konstanze Crüwell
FAZ von 25 Januar 2017
Aus „familiären“ Gründen ist der CDU-Politiker Ronald Pofalla als Chef des Kanzleramts zurückgetreten, um nun doch auf eine neue, gut bezahlte Aufgabe zu gieren: „Für zwei bis drei Millionen im Jahr – Poveralli, Poveralla! / Jetzt hat die Bahn im Vorstandsladen – einen Oberleitungsschaden“, prangern die Wellbappn auf der Frankfurter Kabarettbühne Die Käs solche Karrieresprünge früherer Spitzenpolitiker an, die etwa auch Pofallas Fraktionskollege Eckart von Klaeden, Ex-Minister Dirk Niebel und noch einige mehr vollführten.
Wellbappn ist der Name eines jungen bayerischen Familienquartetts, das Hans Well, langjähriger Autor und Musiker der Biermösl Blosn nach deren Ende mit seinen Kindern gegründet hat: Tabea, die 1991 geborene Tochter, studiert Geige und Volksmusik an der Musikhochschule in München; ihre zwei Jahre jüngere Schwester Sarah, Studentin im Fach Interkulturelle Kommunikation, bearbeitet bei ihren Auftritten Bratsche, Saxophon, Ukulele und Akkordeon durchaus professionell „und singt immer schöner“, wie es im Wellbappn-Flyer ganz richtig steht und es auch in der Käse zu hören war. Zu den Schwestern gesellt sich außerdem der 1996 geborene Jonas, Student der Politikwissenschaften, aber auch Musikus durch und durch, der im Alter von fünf Jahren mit dem Geigespiel seine musikalische Grundausbildung begann, der Cello und Kontrabass folgten. Sein Hauptinstrument, das er besonders gut beherrscht, ist allerdings die Trompete.
Das gute Einverständnis zwischen den Generationen bewies er, als er seinen Vater einmal mit freundlicher Ironie als „Nachwuchstalent des Rentner- und Invalidenvereins Hausens“ bezeichnete. Hans Well nahm es mit Fassung. Und einer der Höhepunkte des so unterhaltenden Wellbappn-Abends war die „Kindergartenrallye“, das von Jonas verfremdete Erlkönig-Lied: „Wer rast so früh durch Regen und Wind? / Es ist der Vater mit seinem Kind / Der Sohn sitzt hinten im Kindersitze / Der Vater fährt 180 Spitze“. So geht es weitere acht Strophen lang. Punkt acht Uhr musste das Kind im Kindergarten sein. „Sohn geht in den Kindergarten rein / Papa nach Hause ohne Führerschein.
Die Wellbappn haben sich mittlerweile als erfolgreiche und ernstzunehmende Nachfolger der Biermösl Blosn, jener legendären Kabarett-und-Musik-Band, etabliert. Denn mit ihrer oft schonungslosen Kritik an politischen Missständen und ihrer wahrhaft zu Herzen gehenden Volksmusik setzen Hans Well und seine musizierenden Kinder die Traditionen der Aufklärung und der Kultur ihrer Heimat so überzeugend fort, dass die Wellbappn als Vertreter wahren Bayerntums eigentlich von Horst Seehofer gewürdigt werden müssten. Vermutlich bietet er ihnen dann sogar das Du an.
Tolle Musik und Texte für Kopf und Bauch
Von Andreas Brückmann
Mittelbayerische Zeitung vom 25.Mai 2017
URSENSOLLEN.Na, wenn das nicht einmal eine Premiere der ganz besonderen Art war! Hans Well dürfte vielen noch aus den Zeiten der Biermösl Blosn ein Begriff sein, für die er 35 Jahre Texte und Lieder schrieb. Nun ist er zusammen mit der „neuen Generation“ auf den Bühnen unterwegs, zusammen mit seinen Kindern als Wellbappn. Und dies nun zum ersten Mal auch im Kultur- und Begegnungszentrum Kubus in Ursensollen.
Vater Hans versprach zusammen mit seinen Kindern Sarah, Tabea und Jonas neuen, frischen musikalischer Satirewind, der die vier in einem locker, entspannten Gesangskabarett auf der Bühne vereint. Und die zahlreichen Besucher wurden nicht enttäuscht. Mit ihrem gut zweistündigen, generationsübergreifendem Programm kamen sie bestens an.
Sie sagen von ihrem Heimatsound, dass er zum bayerischen Gefühl auch Unterleib und Kopf nicht vergisst. Wohl wahr! Zur Hoeneß-Passion gesellt sich ein Fan-Lied kampfbereiter Mütter der Schülermannschaft von Hausen, zum Pfingstlied das notorische Tief aus dem Nordwesten. Die Genialität der „Ausländermaut“, der Gegenwind bei der Energiewende oder die von Gesellschaft und Presse völlig ignorierte Schutzbedürftigkeit von Verfassungsschutz oder BND werden – natürlich mit gebührender Hochachtung – besungen.
Und dies wird immer mit aktuellen Themen aus der Region verbunden. Da wurde die Verlegung von Grammer ins Ursensollener Gewerbegebiet eingebunden, genauso wie die Oberpfälzer Sprache. Denn: Wenn jemand wie ein Hund bellt, der hat bei den beiden Well-Mädels keine Chance zu landen. Aber auch die ausgleichende Gerechtigkeit wurde aktuell besungen, zusammengefasst: VW zahlt in Deutschland keine Entschädigung, dafür ist jetzt aber der VfL Wolfsburg aus der Bundesliga abgestiegen.
Die Texte sind teils bitterböse, teils liebevoll-spöttisch. Und dazu tolle Musik, die vom Talent der Vier restlos überzeugt. Da geht es nicht nur Bayerisch daher, irische und ungarische Klänge lagen auch in der Luft, meisterhaft durch jeden der Vier auf unterschiedlichsten Instrumenten vorgetragen. Schade, dass das Programm von Hans Well und seinen Wellbappn dann „nur“ zwei Stunden dauerte. Gerne hätte das Publikum noch mehr mitgenommen, aber nach drei Zugaben war endgültig Schluss. Hans Well und seine Kindern erhielten das, was sie sich redlich verdient hatten: Tosenden Applaus für ein rundum gelungenes und höchst unterhaltsames Programm! (ahk)
Fürchten und Frohsinn lehren
Lachen und Nachdenken lagen beim Konzert von Hans Well und seinen Wellbappn dicht beieinander. Hans Well und seine drei Kinder boten im ausverkauften Stadtschloss ein ungewöhnliches Programm.
von Birgit KunigFränkischer Tag von 9.Oktober 2017
Wenn man Google fragt, wann die Wellbappn im Stadtschloss anfangen, erscheint Wellpappe Lichtenfels. Und umso lustiger ist es, wenn der Seniorchef von Wellpappe Lichtenfels (die Firma Lewell) extra gekommen ist, sich köstlich amüsiert und lauthals lacht. Im vollbesetzten, überquellenden Stadtschloss von Lichtenfels.
Aber nicht nur für lauthalses Lachen sondern oftmals das Lachen im Halse stecken lassend, dafür sorgen die vier Wellbappn aus bestehend aus dem Patriarchen Hans Well mit seinen Töchtern Tabea und Sarah und dem Sohn Jonas.
Wer sie unter diesem Namen nicht kennt, der weiß sicher mit den Biermösl Blosn mit Kultstatus etwas anzufangen. Resultierend aus der musikalisch sehr umtriebigen Vorgeneration der Familie Well mit 15 musizierenden Geschwistern in verschiedenen Formationen hat sich Hans Well mit drei seiner mittlerweile studierenden Kinder aufgemacht, um auf Deutschlands Bühnen das Fürchten und den Frohsinn zugleich zu lehren.
Und wie: Jonas, der schöne Kontrabass spielende Trompeter, der nach eigenem Bekenntis eigentlich Biertester oder Matratzensomelier werden wollte, ist stimmgewaltig wie der Vater und tritt nicht nur in dessen Fußstapfen, sondern wächst Lied für Lied über sich hinaus.
Das Äußerere der zartgliedrigen Tabea, die eigentlich etwas mit Tieren machen wollte, vorzugsweise Metzgerin, täuscht gewaltig. Sie ist nicht nur eine virtusose akkordeonspielende Violonistin , Flötistin und Sängerin, sondern schnappt sich auch manchmal den Kontrabass ihres Bruders, der sie zur Belustigung des Puiblikums zum Zupfen auf eine Leiter stellen muss. Unter väterlicher Androhung, den Hasen zu schlachten, wenn sie nicht übt, ist sie eine hervorragende Musikerin geworden. „Hasilein ist nicht umsonst gestorben“.
Die etwas ältere Sarah, auch an Violine Saxophon und Akkordeon, zieht mit fulminanter Stimme und geradliniger Ausstrahlung und einzigartiger Aura das Publikum in den Bann. Und das gelingt von Anfang an, wenn das Quartett für die Lichtenfelser nach Gstanzlmanier ein frech frotzelndes Lied parat hat „Lichtenfels, gastronomisch fest in italienischer Hand, wo die Gschäftswelt verdirbt und d’Innnenstadt oiwei mehr ausstirbt. Weil die Stadt oide Strukturen zerfetzt, weils a Einkaufszentrum auf die grüne Wiese setzt. Wo me besser ned krank wird, weils koane Hausärzte mehr hom, wo d ie Stadt denkt, des war scho gwnandt, wenn mehr Ärzte in 3D ausdrucken kannt.“
Und das sind noch die harmlosesten Textpassagen- die lustigste aber: Wo aber jedem Oberbayern oans sofort auffällt, der oberfränkische Dialekt ist der erotischste auf der ganzen Welt“ Ganz Lichtenfels grölt und liegt den Bappn jetzt schon zu Füßen.
Well ist vor 40 Jahren als Musiker entnervt von Lichtenfels wieder abgezogen ist, weil die Berliner, die gerade vor Ort waren, immer nur das Kufsteinlied hören wollten. Er ist umso begeisterter, weil sich nicht nur die alten Balken des Stadtschlosses vor Wahnsinn und die Lichtenfelser vor Lachen biegen und die Fetzen fliegen.
Wenn das Quartett schräg, scharfzüngig und sarkastisch die Absurditäten und Missstände unserer Gesellschaft besingt und wortgewaltig weltverbessernd Wahrheiten des Politzirkusses entblößt. Der Spiegel, den sie dem dankbaren, oftmals mit offenem Mund sich schenkelklatschenden Publikum als Teil dieser Gesellschaft vorhalten, ist kurz vorm Zerspringen. Mit aberwitzigen anarchistischen Wortspielereien und Verballhornungen der deutschen Sprache bringen sie das Publikum restlos um den Verstand.
Der Luftkurort Lam im Bayrischen Wald muss für das Integrationslied herhalten. „Aber wenn der Araber am Arber ärber dad, fragerdä Is lam a Bad?“ Und Olching „die Perle des Amperlands“ mit Bauzentrum, Dönerständen, Freßnapf , Kreisverkehren, Outlethalle und Müllverbrennungsanlage als typisches Beispiel für deutsche Vorstadt Einöde und Gleichmacherei bitterböse glorifziert wird. „Mit Maisfeldern in deinen Auen und Mast mit 5000 Sauen – ob September oder Mai, ich fahr so gern and dir vorbei.“
Da wird den Müttern der- Fußball-Kevins dieser Welt beim Freundschaftsspiel empfohlen, lieber eine eigene Rugby-Mannschaft zu gründen, anstelle zu beißen und zu kratzen und den Schiri als „impotente Sau“ zu betiteln. Fußstampfen und fulminanter Applaus wegen Virtuosität als Jonas beim Song „Gerechtigkeit muss sein“ auf dem selbergebauten Rumsbass spielt und singt:“Und Joschka Fischer, der Sozirevoluzzer, macht für die Quants den Stiefelputzer“ Auch „Siggi der Wamperte und Nahles die Schlamperte und auch Markus der Hinterfotzige“ werden durch den Kakao gezogen. Wahre Reinkarnation sei, wenn Trump in den Mexikanischen Slums wieder geboren würde.
In dem verfremdeten Erlkönig-Lied: „Wer rast so früh durch Regen und Wind? Es ist der Vater mit seinem Kind Der Sohn sitzt hinten im Kindersitze Der Vater fährt 180 Spitze“. „Sohn geht in den Kindergarten rein Papa nach Hause ohne Führerschein.“ wird der Pünktlichkeitswahn mancher Kindergärtnerin angeprangert.
Erst nach zwei Zugaben, unter nicht enden wollenden Applaus dürfen die Bappn wieder abziehen.
Verliebt in Rammingen und den erotischen Unterallgäuer Dialekt
„Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“ lautet eine alte Redensart. Bei den „Wellbappn“ sind es gleich drei Äpfel, die hier vom Stamm(baum) der Wells gefallen sind, genauer gesagt, von Hans Well. Seine Kinder Sarah, 26, Tabea, 24 und Jonas, mit 21 Jahren der jüngste Spross der Familie, sind bereits hervorragend in die großen Fußstapfen ihres Vaters Hans Well getreten.
Ihn kennen die Fans kabarettistischer Auftritte nicht nur von den „Wellbrüdern“, so später auch die „Biermösl Blosn“, die Berühmtheit in der Szene erlangten und 35 Jahre lang das Publikum erfreuten. Die jetzige Mischung des erfahrenen Hans Well und seinem, aus den Kinderschuhen herausgewachsenen Nachwuchs, bieten dem Publikum im Braustadel in Rammingen eine erfrischende Szenerie.
Die satirischen, oft bissigen und auch nachdenklichen Texte stammen wie seit Jahrzehnten von Hans Well. Die jungen Talente sind mit Begeisterung und hoher Konzentration dabei. Das nicht nur stimmlich, sondern auch instrumental. So spielt Sarah die Bratsche, das Akkordeon, Saxofon und die Ukulele hervorragend. Außerdem gibt sie auch gerne einmal den „Regenmacher“. Tabea studiert an der Musikhochschule in München Volksmusik mit Schwerpunkt Geige, was sie bei einem ungarischen Instrumentalstück großartig beweist.
Außerdem beherrscht sie die Steirische, die Mandoline, Gitarre, Bariton, das Alphorn und ein Xylophon, das seinesgleichen sucht. Dass sie auch am Kontrabass glänzt, beweist sie auf humorvolle Weise. Sie, eine „Schmalgeiss“, wie Ludwig Ganghofer sie sicherlich genannt hätte, wird vom großen Bruder auf einen Hocker gestellt, damit sie zu dem mächtigen Instrument die richtige Höhe erreicht. Die rechte Hand bekommt zum Schutz vor den starken Saiten einen Handschuh. Eine Gaudi für die Gäste im Stadel.
So beherrscht sie auch dieses Instrument, das ansonsten vorwiegend von Jonas gezupft und gestrichen wird. Bei ihm kommt vor allem die Trompete oder Tuba mit einwandfreien Tönen zum Einsatz. Fast zu klein ist die Bühne im Braustadel für seinen kurzen Auftritt als Plattler. Eine beliebte Tradition von Hans Well ist es, den Ort, in dem sie gerade auftreten, ein wenig aufs Korn zu nehmen. Rammingen ist für ihn „unglaublich interessant“. Er sagt: „Ich bin jetzt richtig verliebt in Rammingen!“ Und warum? „Weil alles Gute aus Rammingen kommt!“ Das Publikum hat seinen Spaß daran, vor allem weil die Nachbarorte mit einbezogen werden und die Aussagen sie zum Lachen reizt: „Der Allgäuer Dialekt ist der erotischte auf der ganzen Welt.“
Hans Well entschuldigt sich leicht, indem er schulterzuckend sagt: „Mia san halt boarisch – und da san mia dahoam!“ Doch wie ist das, für die Schwestern den richtigen Mann zu finden? Sie sind sehr wählerisch und entscheiden sich weder für einen Banker noch für einen Straßenbahnritzenreiniger – für sie muss es ein Musikant sein. Verständlich oder?
Diese sind schließlich ihrer Meinung nach die besten Liebhaber. Der „Erlkönig“ von Johann Wolfgang von Goethe stand Pate für eine Autofahrt zum Kindergarten. Damals war Jonas noch klein und fragte bei der rasanten Fahrt des Vaters immer wieder: „Mein Vater, mein Vater….“ Alle Beruhigungen seitens des Erziehers fruchten nichts. Er fragt weiter. Das Fazit? Am Ende war der Führerschein weg. Es fehlen in diesen satirischen Texten weder Angela Merkel noch Horst Seehofer oder etliche andere Politiker. Die Themen der Welt werden angesprochen, ohne wenn und aber. Und doch heißt es: „Bayern tritt aus Deutschland aus!“
Es gibt viel zu lachen an diesem Abend im Braustadel, dem letzten Kabarettabend dieser Saison. Tscharlie Hemmer und seine Schwester Inge weisen auf den Neustart im Herbst hin, bei dem wieder viele Größen der Szene zu Gast sein werden. Heftiger Applaus, verbunden mit rhythmischem Klatschen, Rufen und Trampeln der Füße verführen zu weiteren Zugaben.
Satire im Handumdrehen
VON RITA BAEDEKER
SZ vom 03.Dezember 2016
Ebersberg – Der Jahresvorausblick für Bayern aus Sicht von Hans Well und seiner Wellbappn sieht in etwa so aus: Da Angela Merkel weiterhin eine Obergrenze für Flüchtlinge ablehnt, wird Bayern aus Deutschland austreten und eine Mauer rund um den Freistaat bauen. Die Gebirgsschützen werden dem Oberkommando der NATO unterstellt, Markus Söder wird Ministerpräsident von Mittelfranken und der FC Bayern kickt künftig nicht mehr gegen Dortmund, sondern gegen Wasserburg…Ist gottlob nur ein Albtraum, aus dem Seehofer schreiend erwacht.
Dass Hans Well, 63, das Schicksal der bayerischen Weltpolitik auch nach Auflösung der Biermösl Blosn am Herzen liegt, davon können sich am Donnerstag etwa 300 Besucher im Alten Speicher Ebersberg beim Benefizkonzert zugunsten des SZ-Adventskalenders überzeugen. Als Chef des Reimeschmied-Clans, bestehend aus Papa Well und den Kindern Sarah, Tabea und Jonas, nimmt er weiterhin kein Blatt vor den Mund. Der Nachwuchs, 20 bis 25 Jahre jung, hat offenbar neben einer ausgeprägten Begabung für Musik und Wortklauberei die legendäre „Bappn“ geerbt.
Das Programm trägt den Titel „Schneller“, wohl auch, weil brennende Themen aus Politik, Gesellschaft, Kirche, Umwelt, Schule und Jugend von dem Quartett im Handumdrehen satirisch verwurstet werden. Tut ja auch nicht so weh, wenn man ein Pflaster zügig von der Wunde reißt.
Auf Wunden hinzuweisen, welche manchen Menschen das Schicksal zufügt, ist vor Beginn des Konzerts die Aufgabe von Karin Kampwerth, Redaktionsleiterin der SZ Ebersberg. Seit der Gründung des Hilfswerks 1948, als man für eine heiße Suppe oder einen Pullover sammelte, hätten sich die Anforderungen verändert und vervielfacht, erklärt sie. Not habe viele Facetten, sie treffe Alte, Kranke, Kinder. Mehr als sechs Millionen Euro wurden im vergangenen Jahr gesammelt. Der Erlös dieses Abends kommt vollumfänglich dem Adventskalender zugute – wie alle anderen Spenden auch. Für die Verwaltung kommt der Süddeutsche Verlag auf.
Der gedankliche Weg von der Not des Einzelnen zum bissig-absurden Humor der Wellbappn ist angesichts der gesellschaftspolitischen Abgründe denkbar kurz. Banker und ihre Boni, Beckenbauer, die ganze Bonzokratie steht am Pranger. Doch lässt jedes Gstanzl, jeder Spottvers auch Luft für befreiendes Gelächter, das immer wieder aufbrandet. Vor allem beim Lied von der Bürgerversammlung mit Bürgermoaster, Sportvereinsvorsitzendem und Doppelnamen-Nervensäge: spannender als der Tatort. Kennt auch jeder.
„Wos in Ebersberg ned dem Freundl g’hört, g’hört dem Otter.“
Selbstverständlich nimmt Hans Well zunächst Ebersberg – „wo samma heit?“ – in den Blick. Aus Hausener Sicht, da, wo die Wells dahoam sind, ist Ebersberg ein „Turbozuwachs-Landkreis“. „Wos ned dem Freundl g‘hört, g‘hört dem Otter“. Über dem Landratsamt schwebe ein Niedergesäß, in Obereichhofen renne ein Don Quichotte gegen Windräder an und in Zorneding habe eine Schwarze einen Schwarzen vertrieben. Woher er das alles weiß? „Ich hab da meine informellen Mitarbeiter“, sagt Hans Well, der es sich nicht nehmen lässt, zusammen mit dem enthusiasmierten Publikum den „1. Ebersberger Gefangenenchor“ anzustimmen.
Anders als bei der Biermösl Blosn kommen bei der Bappn auch die Jungen zum Zuge, die mehr können, als nur zu zwitschern wie die Alten. Sie spielen Geige, Bratsche, Kontrabass, Trompete, Tuba, Akkordeon, Mandoline und andere Instrumente. Sohn Jonas studiert Politik, Sarah Interkulturelle Kommunikation und Tabea Violine an der Musikhochschule. Was sie drauf hat, zeigt sie bei einem Stück ungarischer Prägung. Auch die Sprachartistik des Trios lässt staunen. Mit ihrem Papa bilden die Drei ein liebevoll eingespieltes Team. Zur sympathischen Inszenierung der Well-Family gehört auch die Frotzelei. Der Papa, von Jonas als „Nachwuchstalent des Rentner- und Invalidenvereins Hausen“ bezeichnet, spielt seine Rolle hinreißend in der gar nicht weit hergeholten Erlkönig-Version, in der ein Vater sein Kind mit halsbrecherischem Tempo in den Kindergarten kutschiert, um ja pünktlich zu sein. Denn Kindergärtnerinnen, die meist „siaßeln“, würden eher „säuerln“, wenn man zu spät dran sei, weiß er.
Wenn die Bappn ihr klangsinnliches Spiel mit der Mundart, mit Englisch und Latein, auf die Spitze treibt, hat sie ihre besten Momente: well done sozusagen. Ob es um passende Beinamen für Politiker geht, um „Nahles, die Gschlamperte, Sigi, den Gwamperten“; um den „Straßenbahnschienenritzenreiniger“, den Tabea und Sarah ebenso wenig zum Mann haben wollen wie den Feldwebel: „Wenn i Spiegeleier mach‘, dann schreit er ‘Rühren!‘“ Um das Lied von der Pfingstflut 2013 „schau, wias regna duat, wias giaßt, s‘ Wasserl vom Dacherl wird zum Bacherl“; oder um das Gesamtkunstwerk der Well‘schen Liturgie aus Latein, Mundart und Nonsense: „Banca Bavaria in Banana Republica Panama, Exit Brexit.“ Eine Zugabe nur gewähren die Wells nach überwältigendem Beifall. Die Kinder müssten ins Bett, sagt der Papa. Denn vor ihnen liege noch die größte Herausforderung des Abends: die Fahrt mit der S 4.
Beste Volksmusikmanier
Zum ersten Mal im Vorderhaus: Die Wellbappn aus Oberbayern.
Badische Zeitung vom 25. November 2016
„Ja sagt’s, wo samma do heit g’landt’?“ schmettern sie im zünftigen Gstanzl-Gesang von der mit vielerlei Instrumenten gefüllten Bühne und singen ein bissiges Begrüßungslied an „das potentielle Fukushima im Badnerland“, Recyclingbecher-Schmäh inklusive. „Wellbappn“ nennt sich das Quartett um Hans Well von der vielfach ausgezeichneten oberbayrischen Musikkabarettgruppe Biermösl Blosn, die in ihrer 35-jährigen Geschichte für manchen Skandal sorgte und sich 2012 trennte. Jetzt waren die „Wellbappn“ erstmals im Freiburger Vorderhaus – mit dem Programm „Schneller“.
Ein Familienunternehmen, das statt die „Bappn“ zu halten sein loses Mundwerk pflegt, ist auch diese Formation: Wells erwachsene Kinder Sarah, Tabea und Jonas erweisen sich als musikalische Multitalente, die souverän moderieren und sich manch liebevolles Gefrotzel über ihren „zu Senilität neigenden Vater“ erlauben. Im Gepäck haben sie nicht nur derb-satirische Lieder von „Dahoam“, wo Gemeinderatssitzungen eigentlich „Eigentümerversammlungen“ sind und Hausfrauen mit riesigen Geländewagen zum nächsten Discounter fahren, während der „Mili-Preis“ den Bauern den Garaus macht. Auch sonst geht es handfest zur Sache: Ob Lichtgestalt Beckenbauer und sein „Sommermärchenscheiß“, ob Edmund der Stammler, Sigi der G’wamperte oder Angela die Krampfhenne, ob Rassismus, Energiewende, Korruption oder Filz – zu allem gibt’s ein Lied in bester Volksmusikmanier. Dazwischen wird auch gejodelt, eine groteske Wortsalatliturgie gesungen oder eine internationale Hymne für alle „Zugroasten“ zum Besten gegeben: „bavarian, mir san mir, we have the worlds best beer…“.Die jungen Wells spielen Tuba, Trompete, Saxophon, Kazoo, Akkordeon, Gitarre, Geige, Mandoline, Xylophon, Kontrabass und vieles mehr. Zwischen uriger Bierzelt-Musi mit exotischen Einsprengseln wird ab und an auch konzertiert, wobei sich Jonas Well als Trompetenvirtuose erweist und seine Schwester Tabea an der Geige brilliert. Urbayrisch und widerborstig – das Biermösl-Gen hat sich offensichtlich erfolgreich vererbt. Sauber! – findet das Publikum. Und deswegen gibt’s auch noch drei Zugaben.
Vorhang zu und keine Fragen offen
Die Wellbappn legen zum Auftakt der 15. Kleinkunsttage einen furiosen Auftritt hin
von Rolf Schneider
Photo: Lilli Schneider
Schwäbische Zeitung vom 14.Oktober 2016
Nein, dörfliche Idylle ist ihre Sache nicht, sondern knallharte, manchmal auch gallige Wirklichkeitsnähe. Familienoberhaupt Hans Well, ein Drittel der Biermösl Blosn, hat seine Kinder Jonas, Sarah und Tabea und mehr als ein Dutzend vielfältiger Instrumente um sich geschart und macht da weiter, wo die alte Blosn 2012 aufgehört hat: Stachel im Fleisch bayerischer Behaglichkeit zu sein, witzig, bissig und gründlich, weshalb ein Schuss ortskundiger Miseren-Kritik (Milei-Verkehrsterror) nicht fehlen darf. Eine Prise Quatsch („Ich hasse Kinder, besonders in Horden/deshalb bin ich Lehrer geworden“) nimmt dem Abend dann immer wieder sehr eventuelle Schwere.
Stets unterfüttert von beeindruckender musikalischer Vielfalt, meistert Well mit seinen drei Leibesfrüchten den Seiltanz zwischen plakativem Gag (Merkels Mundwinkel hängen seit der Flüchtlingskrise fünf Zentimeter tiefer) und eindeutiger Stellungsnahme bravourös: „Mir san das Volk, schreit die Bagage/wenn dem so isch, leckt’s mi am Arsch“! Da bleiben keine Fragen nach dem Standpunkt offen.
Papa Well macht mit seiner Familientruppe eben da weiter, wo die Blosn aufgehört hat: Er verpackt in heimeligen Musiksound wie die Schnadahüpfl pickelharte Kritik. Die Wellbappn – Papa Hans ist studierter Germanist und Geschichtslehrer – kennen ihre Pappenheimer, weshalb sie die Düsseldorfer Zahnärzte auf ihren Luxusareals rund um den Tegernsee genauso aufs Korn nehmen wie den CSU-Wadlbeißer Markus Söder („Mastrino“) und natürlich auch den Ex- und Bald-wieder-Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß.
Virtuos und pointiert
Man schwankt einen ganzen Abend lang, was man mehr bewundern soll: Die virtuose Musik des Quartetts (Tromptensolo von Sohn Jonas, Geigen-Parforceritt von Tochter Tabea) oder die pointierte Gegenwartsbeschreibung: „Laktose-Unverträglichkeit ist schlecht für die Bauersleut/Der Liter Milli liegt bei 20 Cent/die Schwarzen bei 50 Prozent.“
Die alte Blosn hatte sich 2012 aufgelöst, weil Michael und Christoph Well nicht mehr an das Kabarett als Zukunftsform glaubten. Hans Well tut dies, und er hat ganz offensichtlich einen starken Glauben und gehörig Witz weiterhin. Da darf es dann ruhig auch mal etwas abgesenkter sein („Mit de Weiber masch was mit/sagt der Brad Pitt“), die Querverweise auf die immer noch existenten bajuwarischen Skandale (Hypo-Alpe-Adria, Panama-Papers) passen immer noch und bei Reformverweisen für islamistische Attentäter, die sich künftig statt bei den üblichen 72Jungfrauen doch bittschön anderswo belohnen sollten, beim ortsansässigen marianischen Jungfrauenverein „denn Gerechtigkeit muss sein.“
Der Gerechtigkeit halber muss gesagt sein, dass die Vorschusslorbeeren der Wellbappn vollauf gerechtfertigt waren. „Unser Ziel ist, große Kleinkunst nach Leutkirch zu bringen“ hießt es zum Auftakt der 15.Leutkircher Kleinkunsttage am Montagabend im proppenvollen Bocksaal. Das Urteil fällt leicht: Ziel erreicht – in bravouröser Manier. Kabarett geht immer noch. Und wenn’s so praktiziert wird wie von Hans, Jonas, Sarah und Tabea Well, hat es noch sehr lange sehr gute Zukunft.
„Wellbappn“ glänzen mit bissiger Ironie
Schwäbische Zeitung vom 07.November 2016
Assmannshardt – Knapp 200 begeisterte Gäste haben mit Hans Well und seinen „Wellbappn“ im Probelokal des Musikvereins in Aßmannshardt einen kurzweiligen, witzig-bissig-schmissigen Abend erlebt. Frisches Musikkabarett wechselte sich ab mit ausgefeilten, sauber intonierten Chorsätzen und Instrumentaltiteln. Nur ganz am Rande fand dabei die berühmt-berüchtigte Vorgängerformation „Biermösl Blosn“ Erwähnung.
Eigens zu dem Anlass getextet, gab es gleich zu Beginn eine Mordsgaudi mit „Do samma heit“, frechen Sprüchen über die Oberschwaben im Allgemeinen und die Aßmannshardter im Besonderen. Lokale Aktivitäten und Besonderheiten wie „Bauer sucht Frau“, „von einem der auszog, um mit dem Kiesabbau Schotter zu machen und doch nur die Straßen mit LKWs verstopft“ oder auch von „millionenteuren und dennoch leerstehenden Flüchtlingsheimen“ am Ort ließen, von Hans Well in witzige Reime gefasst, Lachtränen kullern oder auch nachdenkliche Stirnfalten entstehen.
Die scharfzüngigen Verse der Wells machten auch vor dem ewigen Gezerre um das Biberacher Baderhaus, vor dem Öttinger’schen Vergleich der belgischen Wallonie mit dem mittlerweile berühmten Biberacher Kirchengemeinderat, vor Don Quichote’schen Windradln auf der Atzenberger Höhe oder anderen (Un-)Gereimtheiten keinen Halt.
Immer wieder aufgelockert durch instrumentale Einlagen in wechselnden Besetzungen, erklangen ausgefeilte mehrstimmige Chorsätze und Wechselgesänge von Vater Hans mit den Kindern Sarah, Tabea und Jonas Well – a cappella oder mit transparenter Instrumentalbegleitung. Die Themen schlugen dabei einen Bogen von der „Kindergartenrallye“ mit den Kleinsten über das „Freundschaftsspiel“ der Fußball-F-Jugend mit den übermotivierten Müttern der aufstrebenden Jungstars, bei denen am Ende nur der Schiedsrichter unversehrt blieb.
Unterwegs auf Brautwahl.de
Bissig kommentiert dabei auch die „Karrieresprünge“ der Pofallas, Niebels und Schröders von der Politik in die Privatwirtschaft. Erhellend auch die Geheimnisse der Well-Mädels auf „Brautwahl.de“. Auf die Frage, ob sie lieber einen Edelknabn, Banker, Straßenbahnschienenritzenreiniger, Bombenentschärfer, Philipp Lahm oder einen Musikanten hamn möchten, entschieden sie sich ganz selbstverständlich für den Musikanten als den besten Liebhaber vom ganzen Land. Zeitgemäß und -kritisch wurde das Quartett in seiner launigen, musikalischen Jagd auf Pokémons. Gar nicht traurig waren sie darüber, dass sie eins der Taschenmonster nicht fangen konnten, weil es in den unterirdischen Gewölben des Ulmer Münsters bereits von der Katze des Messners erlegt und aufgefressen worden war.
Im lang anhaltenden Applaus gebadet, gaben die urbayrisch widerborstigen Spötter als Bonus noch zwei spritzige Zugaben. Trotz gelegentlicher Seitenhiebe auf die oberschwäbischen Landsleute, besonders jene „von der Alb ra“, haben die boarischen „Wellbappn“ in der Region bestimmt eine Menge neuer Fans gefunden. Und das gewiss nicht nur deshalb, weil sie den oberschwäbischen Dialekt als „den erotischsten Dialekt auf der ganzn Woit“ lobten.
Hans Well, der intellektuelle Kopf der Ur-Biermösl Blosn, zeigte in Neumarkt, was er zur Auffrischung der Kabarettszene tut.
Neumarkter Tagblatt vom 12. April 2016
von Lothar Röhrl
NEUMARKT. Ein Well, der Kanzlerin Merkel verteidigt. Einer, der den Traum vieler Bayern von einem Austritt aus der Bundesrepublik Deutschland als Alptraum skizziert. Und einer der vorhersagt, dass die Flüchtlingswelle dieser Tage nur ein minimaler Vorgeschmack auf das sein wird, wenn Zig-Millionen Menschen wegen des Klimawandels ihre Heimat – von den nahen Niederlanden bis zum fernen Bangladesch – verlassen müssen. Es ist immer faszinierend, wie dieser Hans Well mit seinen Texten die Realität schonungslos seziert. Wie er die Trennung von seinen beiden Brüdern, die sich zur reinen Gaudi-Volksmusikantentruppe reduziert haben, verwunden hat. Und wie er mit seinen (drei) Kindern und jungen Leuten generell das bayerische Kabarett auffrischt.
Gut, dass am Samstag die Herausforderung der fehlenden Tochter Sarah – aber einzig zur Unzufriedenheit von Hans Well – nicht gemeistert worden ist, mag diesen Abend nicht ganz hundertprozentig gelungen erscheinen lassen. Dennoch zeigte die Reaktion des Publikums im G6, dass diese zwei Stunden sehr gut unterhalten und auch Stoff zum kritischeren Umgang mit den Nachrichten dieser Zeit gegeben haben. Mit diesem Abend landete übrigens der G6-Veranstaltungsverein „Frequenz“ einen weiteren Volltreffer in seiner kurzen Geschichte. Den durfte Dr. Alois Kölbl für sich als Erfolg reklamieren. Denn als einer der beiden Hauptinitiatoren des Vereins (neben Siegfried Müller) hatte Kölbl den Auftritt in die Wege geleitet.
Hans Well und Co: Hinterfotzig zärtlich
BAYREUTH. Wenn Oberbayern in Oberfranken so viel Beifall auslösen, müssen sie etwas Besonderes gezeigt haben. So wie am Donnerstag im Bechersaal: Hans Well und seine Wellbappn zeigten, wie gut Musikalität und gscherter Spott zusammenpassen.
Von Michael Weiser
Nordbayerischer Kurier vom 20/21 Februar 2016
Wovon sie singen, ist aktuell. Darüber, wie sich eine Partei mit dem „C“ im Namen gegenüber den Schutzsuchenden unchristlich geriert; über die joviale Brutalität des gemeinen Oberbayern; das bayerische Selbstbewusstsein, das so fest klingen will und doch ein bisserl fragil wirkt. Ja, Bayreuth die Ehre zu machen, singen sie sogar vom Wahnwitz der Stadthallendiskussion und vom noch immer auf Revanche sinnenden Ex-OB in den Reihen der Bayreuther CSU.
Da haben sich, so war zu hören, Hans Well und seine jungen Begleiter vor ihrem Auftritt gut informieren lassen. Und da sind sie ganz im Heute, wenn auch nicht immer im Hier. Vielleicht kokettiert Hans Well nur damit, dass er, der von weither angereiste Oberbayer, Franken so wenig auf dem Schirm hat, dass er zwischen Kulmbach und Bayreuth nicht unterscheiden kann. Vielleicht war er auch kurz nicht bei der Sache. Aber wurscht, eigentlich. Ein paar Hänger gehören dazu, ein paar Gussgrate sozusagen, die dem Abend auch etwas sehr Originelles lassen: Das ist nicht polierte Ware von der Stange, sondern ein Beisammensein, ein Abend, extra für dieses Publikum. Was Hans Well und seine Wellbappn zeigen, ist natürlich ganz und gar nicht von Pappe. Und es ist nicht nur gutes, es ist bestes Handwerk. Getragen von einer überbordenden Musikalität, zu der auch das manchmal gescherte, durchaus aber schöne Bayerisch beiträgt. Kaum anzunehmen, dass sich ein Schimpfwort wie „hinterfotzige Matz“ wie in Merkels Klagelied auch in einen anderen Dialekt noch so anhören könnte: fast zärtlich oder anerkennend. Was die Vier im dampfig-warmen, voll besetzten Bechersaal zeigten, war ist also Handwerk alter Schule, wie es Volks- und Bänkelsänger betrieben, mit Gstanzln in einer Form, in der man vermutlich bereits im Königreich politische Missstände aufspießte. Noch weiter reichen die Wurzeln des Quartetts zurück: Mit ihrer lateinischen Spottmesse – in einer Qualität
der Verballhornung, die mehr als nur flüchtige Kenntnisse des Lateinischen verrät – schließen sie gar an mittelalterliche Formen der Satire an. Selbstverständlich, um aktuellen Inhalt zu transportieren.
Vor allem aber macht es sauviel Spaß, den Vieren zuzuhören und -sehen. Hans Well verschießt witzige Spitzen, Sarah gibt die derbe Bänkelsängerin, aus deren Augen Mutwillen blitzt. Zurückhaltender, von filigranerer Musikalität ist Tabea Well. Und Bastian Gröller vertritt Jonas Well so gut, dass eben dies überhaupt nicht auffällt: dass er eine Vertretung ist. Wie’s bei einer Band so ist: Jeder darf in einem Solo glänzen. So auch Jonas
Gröller mit einem wirklich furiosen Trompeteneinsatz. Man wolle schauen, vielleicht könne man den Burschen auf Hart IV-Basis weiterbeschäftigen, wenn der Jonas von seiner Weltreise zurück sei, grummelt Hans Well. Auch da gibt es einen Lacher. Die Gruppe ist eben so gut zusammengestellt, dass sogar die Kommentare zu Hans Wells Versuchen, die Gitarre zu stimmen, dem Publikum Laune machen.
Es soll Leute gegeben haben, die das Platzen der Biermösl Blosn vor einigen Jahren als Katastrophe sahen. Mag sein, dass es eine war. Der Wiederaufbau aber hat offenbar prächtig funktioniert. Und wieder mal bleibt alles in der Familie – das soll diesen Wells erstmal einer nachmachen.
Wellbappn wissen, wo der Wurm drin ist
Die Osttangentengegner laden zum Musikkabarett in der Paartalhalle ein. 300 Zuhörer amüsieren sich über bissige Pointen zu örtlichen Politikern, Flüchtlingspolitik und Gesellschaftsphänomenen.
von Peter Stöbich
Photo Peter Stöbich
Augsburger Allgemeine Vom 03.12.2015
Es ist schwer zu glauben, dass es wirklich schon ein halbes Menschenleben her ist, seit Hans Well mit seinen Brüdern die erste Langspielplatte in der Münchner Kleinkunstbühne „Muh“ aufgenommen hat. Denn 35 Jahre später wirkte er jetzt beim Auftritt in der Kissinger Paartalhalle so frisch und frech wie zu den besten Zeiten der mittlerweile aufgelösten „Biermösl-Blosn“.
Mit seinen Töchtern Sarah und Tabea hatte ihn das Aktionsbündnis gegen die geplante Augsburger Osttangente eingeladen. Die hohen Erwartungen der mehr als 300 Zuhörer wurden nicht enttäuscht: Geistreich und genial, witzig und wortgewandt präsentierte sich das Familientrio, verstärkt durch Sebastian Gröller an Kontrabass und Tuba.
Der Gruppenname „Wellbappn“ hat nichts mit Wellpappe zu tun, sondern kommt vom Dialektausdruck für ein vorlautes Mundwerk: „A gfotzate Bappn“, sagen die (Ober-)Bayern. Eine solche haben viele der 15 Well-Geschwister, denn drei Schwestern haben sich zum Frauenkabarett „Wellküren“ zusammengetan. Und ihr Bruder Hans war über Jahrzehnte kreativer Kopf und Texter der „Biermösln“. Dass er in der langen Zeit nichts an Biss und Spottlust verloren hat, machte er in Kissing schon in den ersten Minuten des zweieinhalbstündigen Auftritts deutlich, als er sich über das „rote Bermuda-Dreieck“ im Wittelsbacher Land lustig machte.
Über Roland Eichmann und den Spürsinn seines Hundes
Von Bürgermeister Roland Eichmann, der dem Spürsinn seines Hundes vertraut, über Landtagsabgeordneten Peter Tomaschko bis zu Ministerpräsident Horst Seehofer bekamen an diesem Abend alle ihr Fett weg: Politiker und Pfarrer, kinderhassende Lehrer und überbesorgte Mütter. Mit diesem „Derblecken“ stehen die Wellbappn in der Tradition des Kraut’n Sepp und des Roider Jackl, die schon lange vor den Biermösln ihren Spott musikalisch verpackt haben. „Da is der Wurm drin“, sang das Quartett in der Paartalhalle gemeinsam mit dem begeisterten Publikum und meinte damit nicht nur das deutsche Fußball-Sommermärchen. Von bayerischen Häusern im Toskana-Stil und dem Pfarrer aus dem Senegal erzählten die Wellbappn ebenso wie vom neuen Friedhof, der die Dorfmitte beleben soll, weil alle Einkaufsflächen im Außenbereich liegen. Wenn es richtig bissig und böse wurde, blieb den Kissinger Zuhörern das Lachen im Hals stecken wie beim Brand des Dorfwirtshauses, in dem Asylbewerber untergebracht sind: Die Anfahrt der Feuerwehr wird durch einen Bierlaster blockiert, zu dem der Zündschlüssel fehlt. Wie perfekt Hans Well seine Kritik musikalisch verpackt und dass er so angriffslustig geblieben ist, das verdient höchsten Respekt. Wenn eine Bürgerversammlung im Feuerwehrhaus mit den Wellbappn spannender wird als jeder „Tatort“ – das ist Kabarett auf höchstem Niveau. Entspannung vom Pointenfeuerwerk gönnten die Musiker sich und ihrem Publikum immer wieder mit instrumentalen Stücken im fliegenden Wechsel: Geigen, Gitarre, steirische Harmonika, Trompete, Tuba, Xylophon – auf der Bühne der Paartalhalle sah es aus wie im Musikladen.
Von Goethes umgedichtetem Erlkönig bis zum Lied vom Straßenbahnschienenritzenreiniger: An diesem mitreißenden Abend gab es keine schwachen Nummern; rotzfrech und scharfsinnig analysierte das Quartett wo in Bayern überall der Wurm drin ist – exzellentes Musikkabarett, wie man es in Deutschland derzeit kaum anderswo findet!
Auch das abschließende Schlaflied ließ die Zuhörer keineswegs beruhigt nach Hause gehen, denn Hans Well zeigte sich auch dabei ganz auf der Höhe der Zeit: „Fange ich zu träumen an, fliegen Schutzenglein heran: Wanzen, Trojaner, Viren knacken, observieren“.
Beifallstürme für die Wellbappn
Es ist in Oberbayern nicht anders als irgendwo in Franken. Das wurde beim Auftritt der Wellbappn in der ausverkauften Karl-Knauf-Halle in Iphofen deutlich.
von NORBERT HOHLER
Foto: NORBERT HOHLER
Main Post vom 28.02.2016
Es ist in Oberbayern nicht anders als irgendwo in Franken. Das wurde beim Auftritt der Wellbappn in der ausverkauften Karl-Knauf-Halle in Iphofen deutlich.
Wenn Nachbardörfer Fußball gegeneinander spielen, die sich nicht grün sind, dann sehen Manche rot: So wie neulich, als beim F-Jugend-„Freundschaftsspiel“ die Hausener 0:7 zurücklagen, gegen dieses unsägliche Ried, den Hauptfeind, mit einem Mittelstürmer, der einen Kopf größer war als der Rest. Blutgrätsche, Sanitäter, Tumult – das Ganze endet in einer wüsten Schlägerei von zehn Müttern aus Hausen gegen zehn aus Ried, mit Schirmen, Handtaschen, das volle Programm. Ende vom Lied: Sportplatz-Sperren für 20 Mütter, wenig später eine neue Abteilung im Hausener Sportverein: Frauen-Rugby.
Das Publikum kommt in der ausverkauften Karl-Knauf-Halle nicht aus dem Lachen raus, klatscht sich die Finger wund: Hans Well, früher Texter und Kopf der Biermösl-Blosn, ist jetzt mit seinen Töchtern Tabea (23) und Sarah (24) unterwegs. Für Jonas (20), den Bub, der endlich das Abi geschafft hat und grade um die Welt reist, spielt Sebastian mit.
OVB vom 29.10.2015
von Hans Baumann
Bad Aibling – Unter einer „Bappn“ versteht man im Bayerischen ein freches Mundwerk, das nicht unbedingt willkommen ist. Nicht so bei den Kindern von Ex-Biermösl Hans Well, mit denen er als „Wellbappn“ seit drei Jahren in die Fußstapfen der 2012 aufgelösten, legendären „Biermösl-Blosn“ tritt.
Unter dem Titel „Schneller“ präsentierte das vielseitige Musikkabarett sein neues Programm und begeisterte die Zuschauer im vollen Kurhaussaal. Das Quartett setzte gleich zum Einstieg auf die Lokalkolorit-Karte unter anderem über das „Moorbaatzbad, wo „mancher gern a boarischs Wirtshaus häd“, aber mangels Angebot zum Italiener oder Chinesen geht“, über verhinderte Tempo 30-Zonen, Turnhallen voller Flüchtlinge, „ihre Freunde belauschende Amerikaner“ und „wo die Ilse in da boarischn Tracht des Sudlfeld grinsend zur Sau macht“.
Sie lästern über die vorerst fehlgeschlagene Autobahn-Maut („Seehofer und sein Mautesel“) und über die Schülerflut an bayerischen Gymnasien oder schildern mit (autobiografischen Zügen) eine turbulente morgendliche Fahrt zum Kindergarten.
Zu ihrem spitzzüngigen Programm zählen des Weiteren Szenen über das Abstimmungsverhalten in Gemeinderäten mit Mehrheitsfraktion und aus einer Bürgerversammlung mit dem Thema „Der Windpark und seine Gefahren“ sowie das Hauen und Stechen unter den Müttern einer Nachwuchs-Fußballmannschaft.
Zum Thema Fußball fehlte ebenso wenig die Schwarze- Koffer-Debatte zum Sommermärchen 2006 („Niersbach und ein falscher Zwanziger“) wie die Anmerkungen zu den Salmonellen bei „Bayern-Ei“. Schwer ins Gericht gehen die „Wellbappn“ auch mit Politikern, die flugs in Posten in der freien Wirtschaft wechseln.
Köstlich auch die weiblichen Überlegungen über die Nachteile von Berufen ihrer potenziellen „Zukünftigen“, die klerikale „Lesung aus dem Buche Bayern“ und der pseudo-lateinische Chorgesang über die Euro-Krise.
Die – wie schon bei der „Biermösl-Blosn“ – aus der Feder von Hans Well stammenden Texte wechseln von zart-bitter über beißend-ironisch bis zu deftig-kräftig („korrupte Drecksau“) und spannen einen Bogen von heiter-humorig bis nachdenklich-hintersinnig.
Doch Hans und seine Kinder Sarah, Tabea und Jonas brillieren nicht nur mit ihren Stimmen und Texten – sie zeigen ihre musikalische Virtuosität und instrumentale Vielseitigkeit unter anderem auch mit konzertanten Einlagen auf höchstem Niveau. Nicht nur mit ihrem Programm, sondern auch mit ihrer „generationsübergreifenden“ Besetzung bringen sie frischen Wind in die Musikkabarett-Szene.
Über solche frechen „Bappn“ freute sich nicht nur das Aibliger Publikum außerordentlich und erklatschte sich von der potenziellen „Biermösl-Blosn 2.0“ als Zugabe ein sanft-böses Abendlied („schlafe süß, weil’s Internet o’zapft is“).
Das Bayernland in Familienhand
Augsburger Allgemeine vom 18. März 2017
Neu-Ulm
Hauptsach, der Bua is gsund. Als die Sparkasse 2014 erstmals Hans Well und seine Wellbappn in die Region einlud – seinerzeit nach Senden – musste Junior Jonas passen: Er litt an der Kinderkrankheit Mumps. Beim zweiten Versuch war die Familienbande nun komplett und fit noch dazu: Im praktisch ausverkauften Brückenhaus-Saal hatten der Biermösl-Blosn-Mitbegründer Hans Well und seine Kinder Sarah, Tabea und Jonas viel Kritisches über das Bayernland und seine Großkopferten von König Horst bis Kaiser Franz zu sagen und singen. Aber immer so, dass es Spaß macht.
Das satirische Familien-Volksmusik-Satire-Ensemble dürfte auf den Kleinkunstbühnen ein Unikat sein. Und es ist unschwer zu übersehen oder -hören, dass sich die Well-Gene – drei von Hans’ Brüder und Ex-Biermösl-Kollegen treten noch immer zusammen mit Gerhard Polt auf (zuletzt im Edwin-Scharff-Haus), drei Schwestern sind als Wellküren unterwegs – auf die nächste Generation vererbt haben. Die drei Sprösslinge, Jahrgang 1991, 1993 und 1996, beherrschen ihre Instrumente, gleich, ob das Tuba, Akkordeon, Trompete oder Geige sind. Und sie frotzeln genauso gern wie der Papa. Entsprechend gut spielen sie sich auf der Bühne die Bälle zu: Die zierliche Tabea würde beruflich „am liebsten was mit Tieren machen, Metzger oder so“. Vater Hans: „Das passt zu ihrem Charakter, aber leider nicht zu ihrer Figur.“ Aber auch er selbst muss einstecken: So witzelt etwa Jonas am Ende, dass des Vaters Gicht im Laufe des Abends viel besser geworden sei: „Das Wunder von Neu-Ulm!“
Meistens geht es aber ziemlich (landes)politisch zu bei dieser Stubnmusi. Da macht Hans Well mit seiner Kinderschar da weiter, wo er mit der Brüder-Blosn aufgehört hat: Der Kampf gegen CSU und bajuwarischen Filz, der den Biermösln einst sogar einen Sendeboykott seitens des BR eingebracht hatte, ist noch nicht vorbei. Da wird Andreas Scheuer zum „Mastino aus Passau“ und bei Horst Seehofers Versprechen gilt: „Nicht das Erreichte zählt, sondern das Erzählte reicht.“ Dafür bekommt Angela Merkel erstaunlich viel Liebe. Das wäre Hans früher wohl nicht passiert. Am besten und lustigsten sind die Wellbappn aber dann, wenn sie die Lebensart der (bayerischen) Provinz karikieren: Wenn das Feuerwehrjubiläum von der Pfingstflut weggespült wird oder wenn im Duell der Fußball-F-Schüler von Hausen und Ried am Ende nur noch der Schiedsrichter unverletzt ist. Aber auch die Schwaben bekommen einiges ab, vor allem im Anfangslied, das in Biermösl-Manier zum Derblecken des Gastgeberorts genutzt wird: Da wird Neu-Ulm zum „Nuxit-Erwartungsland“, wo „sich trennt, was nicht mehr zusammengehört“, und auch der Geiz der SPD-Fraktionschefin wird aufgespießt. Und die Sparkasse? Die bleibt fast verschont. Nur die zwei Töchter singen über ihre potenziellen Bräutigame: „Nana, an Banker mog i net.“ Trotzdem: Die vier dürfen wiederkommen. Die Well-Fans in Neu-Ulm würde es freuen. Denn sie wissen: „Der schwäbische Dialekt ist der erotischste auf der ganzen Welt.“ (mgo)
Nah dran an der bayerischen Gefühlswelt-Die Wellbappn und ihr umjubelter Auftritt
Ungezügelt, intelligent, musikalisch auf höchstem Niveau: So begeisterte die Familie Well als Wellbappn das Publikum auf der Waakirchner Kleinkunstbühne.
von Alexandra Korimorth
Foto: Thomas Plettenberg
Miesbacher Merkur vom 11.03.2017
Waakirchen –
Traditionell starteten die Wells – Papa Hans, Sohn Jonas, Tochter Sarah und Freund Sebastian, stellvertretend für Tabea, die ihr Geigenstudium gerade um ein Auslandssemester in Indien ergänzt, – mit einem Beschuss ihres Konzertortes. In Waakirchen, dem „Blinddarm des Tegernseer Tals“, nahmen sie den Wegfall des Biergartens und der Bühne beim Knabl zugunsten des Wohnungsbaus, die Schließung der vhs, die nackerte Venus und die geplante Umgehungsstraße aufs Korn.Zugleich lobten die Musiker aber die Häuser, die Waakirchen so schnell für die Asylbewerber gebaut hat. Und damit waren sie schon mittendrin in den großen politischen Themen, die Bayern bewegen und gegen die es sich mit Harmonie (Gesangsverein), Eintracht (Fußballclub), „Bärwurz on the rocks“ (Burschenverein) und „Pina Colada“ (Katholischer Frauenbund) wappnet. Frei nach dem Motto: „Mit Ministranten aus dem Senegal, sind wir liberal.“
Mit einem Blick in die angewandte Gemeinderatsdemokratie zeigten die Wellbappn auf, wie Dorfentwicklung aussehen kann: Wenn der Dorfladen scheitert und durch einen Aldi weit draußen ersetzt wird, denkt man über die Belebung des Dorfes durch die Erweiterung des Friedhofs nach, unterstützt durch einen chinesischen Investor, der das neue Krematorium finanziert. Das sitzt. Das Publikum lacht und applaudiert und hat seinen Spaß, wenn es um das traditionelle Dorfleben geht.
„Die Welt ist in Aufruhr. Es herrscht eine Bedrohung durch die islamische Welt“, verkündet Sarah und visioniert vom Austritt Bayerns – inklusive antimuslimischer Mauer, Mautgebühr und Freibier, Gebirgsschützen in der Nato und Hoeneß als Präsident des bayerischen Steuerzahlerbundes. Mit Angelas kirchlich anmutendem Klagelied schießt das Quartett aus der Merkel-Perspektive gegen deren Widersacher: den Minister des Versagens (Seehofer), die oberbayerische Filzlaus (Dobrindt), die Wurst aus Würselen (Schulz).
Nicht nur thematisch ließen die Wellbappn nichts aus, auch musikalisch loteten sie alle Möglichkeiten der bayerischen Volksmusik aus: von Viergesang über Jodler und Landler bis hin zu rasant schnellen Stückln mit instrumentalen Soloeinlagen. Mit dem Waakirchner Gefangenenchor besang man nach dem Schlager „Aloha Heja“ die Klimaerwärmung und die Folgen für Bayern. Da wachsen im Bayerischen Wald die Palmen und das Allgäu wird zur Malaria-Zone.
Aber die Wells träumen noch von Gerechtigkeit, zum Beispiel davon, dass Trump in einem mexikanischen Slum wiedergeboren wird und es dann nicht über die von ihm selbst errichtete Mauer ins gelobte Land schafft. Mit kleinen, innerfamiliären Neckereien, Seitenhieben auf die Generation „Whats App“, den VW-Abgas-Skandal, den Brexit und – getarnt als predigthafte Lesung aus dem „Buche Bayerns“ – auf die Banca Bavaria, Ilse, die Hoffnungslose, Sigi, den Gwamperten, und Nahles, die Gschlamperte, ging schließlich ein umjubelter Abend zu Ende.
Stürmischen Applaus gab’s für diese intelligent-freche und aktuelle Themen-Mischung, die schon zu Zeiten der Biermösl Blosn zündete und für deren Texte Hans Well, neunter Spross der Musikerfamilie, verantwortlich zeichnet. Gut, dass Hans Well und seine Kinder auch weiter in bester Well’scher Tradition einfach ihre Bappn nicht halten können und so das politische Musik-Kabarett in die nächste Generation führen.
Im Pfarrheim wird scharf geschossen
VON PETER STÖBICH
Foto: Peter Stöbich
Augsburger Allgemeine vom 14.10.2018
Es ist zwar eine zufällige, aber passende Ironie, dass Bayerns beste Spott-Truppe wenige Stunden vor der Landtagswahl vor einem kitschig gemalten Gebirgsmassiv auftritt, das den Hintergrund für eine Theateraufführung des Meringer Trachtenvereins bildet. Im Tal ist auf der Bühne ein kompletter Musikladen aufgebaut mit Akkordeon, Geige, Gitarre, Kontrabass, Saxofon, Trompete und Tuba.
So geht es den ganzen Abend lang weiter mit einem topaktuellen Programm, geistreich und genial, witzig und wortgewandt. Abgesehen von einigen bekannten Stücken wie dem Straßenbahnschienenritzenreiniger greift das Quartett alles an und auf, was die Schlagzeilen beherrscht: Asylpolitik, Diesel-Skandal, Digitalisierung, Klimawandel, Seehofer und Söder.
Dass es schon ein halbes Menschenleben her ist, seit Hans Well mit seinen Brüdern die erste Langspielplatte in der Münchner Kleinkunstbühne „Muh“ aufgenommen hat, mag man kaum glauben. Denn auch im Rentenalter wirkt er noch so frisch und frech wie zu den besten Zeiten der mittlerweile aufgelösten „Biermösl-Blosn“.
Die Well-Brüder Michael und Christoph aus der früheren Formation vermisst das Publikum nicht, denn Sarah, Tabea und Jonas haben das Talent ihrer legendären Musiker-Familie geerbt. Mit ihrem „Derblecken“ stehen die Wellbappn in der Tradition des Kraut’n Sepp und des Roider Jackl, die schon lange vor den Biermösln ihren Spott musikalisch verpackt haben. Überall findet Hans Well seine Themen und ruht sich nicht auf dem Erfolg von vier Jahrzehnten aus, sondern aktualisiert sein Programm bis zu Themen wie Snapchat oder Youporn.
Der Gruppenname paßt perfekt, denn er hat nichts mit Wellpappe zu tun, sondern steht im Dialekt für ein vorlautes Mundwerk: „A gfotzate Bappn“, sagen die (Ober-)Bayern. Mal hinterfotzig, mal ganz unverblümt bringt der ehemalige Lehrer mit seinen Kindern auf die Bühne, was ihm im Freistaat alles stinkt.
Beim Auftritt in Mering bekommen unter anderem Politiker und Pfarrer, überbesorgte Mütter und kinderhassende Lehrer ihr Fett weg. Verpackt sind die satirischen Texte zum Beispiel in einen Zwiefachen, was manchen bissigen Kommentaren etwas von ihrer Schärfe nimmt. Oder wenn die Meringer den Refrain „Alohahe“ mitsingen dürfen, ist es einfach nur lustig im Pfarrheim. Immer wieder frotzeln die Jungen ihren Vater, wenn er mal einen Texthänger hat oder die falsche Tonart anstimmt – das Publikum lacht dazu und applaudiert.
Entspannung vom Pointenfeuerwerk gönnen die Musiker sich und den Zuhörern gelegentlich mit instrumentalen Stücken. Wenn Sarah und Tabea aufgeigen, ist es mucksmäuschenstill im Pfarrsaal und niemand merkt, dass sich Tabea mit einer heftigen Grippe durch den Abend kämpft. Höchster Respekt für den 65-jährigen und seinen Nachwuchs, denn die vier könnten es sich mit seichter Comedy und ein paar G‘stanzln leichter machen.
Doch sie nehmen kein Blatt vor den Mund und machen in Mering deutlich, warum ihre Wut gegen Heuchelei, Profitgier, Waffenlieferungen und sonstige Sauereien notwendig ist. Tosender Beifall im Pfarrheim für solch mitreißendes Kabarett auf höchstem Niveau.
Gastspiel in „Hessisch Andalusien“
von Manuel Wenda
Mainspitze vom 06.02.2017
RÜSSELSHEIM – „Vielen Dank, und viel Erfolg für den Hessentag – wenn noch jemand absagen sollte, kommen wir“ – Mit frenetischem Jubel reagierte das Publikum in der voll besetzten Hinterbühne auf dieses Angebot Hans Wells, der dort mit seinem jungen Ensemble Wellbappn das neue Programm „Schneller“ präsentierte.
Beginn bei der Gruppe Biermösl Blosn
Jahrzehntelang war Well mit zweien seiner Brüder beim Ensemble Biermösl Blosn aufgetreten. Legendär ist diese Gruppe, die in der bayrischen Volksmusiktradition vollkommen zu Hause war, und auf dieser Grundlage gegen die einflussreiche CSU und andere Autoritäten anmusizierte. Sie teilte sich die Bühne mit Dieter Hildebrandt und Gerhard Polt, Hans Wells Texte wurden von seinen Brüdern begleitet und vertont.
Dann vor einigen Jahren der Neustart: Die Biermösl Blosn meinten, sich nicht mehr weiterentwickeln zu können, Well gründete mit seinen Kindern die Wellbappn. Wie der stolze Papa betont, sind Tabea, Sarah und Jonas avanciertere Instrumentalisten als er selbst, gemeinsam verschafften sie den Besuchern ihres Rüsselsheimer Gastspiels zweieinhalb sprühende, charmante wie kurzweilige Stunden. Auf die Stadt am Main waren die Vier bestens vorbereitet. Ein Gstanzl, wie man diese bajuwarische Form des Spottgesangs nennt, stellte Oberbayern und „Hessisch Andalusien“, Wells Bezeichnung für Rüsselsheim, einander gegenüber: Mit Erstaunen wurde die Absage des Auftritts eines gewissen Rappers im Rahmen des Hessentages aufgenommen: die salafistische Szene hätte doch gar nichts gegen dessen Kommen einzuwenden gehabt. Doch auch im Bayernland gibt es Malaisen, sie stehen freilich im Zentrum der Aufmerksamkeit der Wellbappn. Die Herzen der Musiker schlagen wohl eher links, ihre Stücke sind indes frei von ideologischer Aggression, ihr Spott wird von Hintersinn und Herzenswärme getragen.
Umwerfend war das Spiel auf Geige, Bratsche, Tuba und Akkordeon gepaart mit Hans Wells Gitarrenspiel. Einige zusätzliche Instrumentalstücke hätten dem Abend nicht geschadet.
Heimatverbundenheit und anarchistische Gesinnung
2011 erschien „Mittelreich“, ein Roman des Schauspielers Josef Bierbichler. In ihm gehen Heimatverbundenheit und anarchistische Gesinnung miteinander einher. Einen ganz ähnlichen Esprit, versetzt mit Einflüssen Karl Valentins und Oskar Maria Grafs, verströmten die Wellbappn in Rüsselsheim. Mangelnder Hochwasserschutz wurde komödiantisch besungen, Politisches fiel nicht unter den Tisch: Die Herren Seehofer, Dobrindt, Söder und Scheuer sind nach wie vor Ziele des Spotts Hans Wells. Dennoch: Die urwüchsige und vielgestaltige Volkskunst gewann erfreulicherweise die Oberhand, die Wellbappn würzen ihre Vorträge mit frischer, unverbrauchter Souveränität. Von diesem Ensemble ist noch viel zu erwarten. A-cappella-Einlagen gerieten ausdrucksstark. Schön war es dazu, einem so erlesenen Oberbayrisch zu lauschen, wie man es in hiesigen Gefilden recht selten zu hören bekommt.
Stehende Ovationen für die Wellbappn. Nach zwei Zugaben entschuldigte sich Hans Well: Er sei mit den Instrumenten aus Bayern heraufgefahren – „am Freitag“. So entließen die Hörer die Musiker und brachen ebenfalls auf.
Mit dem Papa frech bappeln
Die Wellbappn bringen frischen musikalischen Wind mit spritziger Satire
Sie haben es im Blut: das Bissige, das Heitere, das Angriffslustige – zusammengefasst: das „Biermösl-Gen“. Der „zweiten Generation“ hat Hans Well (62) mächtig was mitgegeben. Auf der Kleinkunstbühne des restlos ausverkauften Thaddäus („klein, aber groß im Ruf“) nimmt sich Ex-Biermösl Hans Well gerne zurück, lässt seine drei Kinder – zwischen 19 und 23 Jahren jung – nach vorne. Deren Spottlust scheint nicht geringer als die ihres prominenten Vaters.
Das Quartett der Wellbappn ist aufeinander abgestimmt, die Boshaftigkeiten und Pointen sitzen einfach. Dabei setzen sie auf die bayerischen und lokalen Gegebenheiten. Wenn am Anfang über die beiden „Schorsch“ (Georg Schmid und Georg Winter) sinniert wird, dann ist der Bann in Sekundenschnelle gebrochen: Müssten die beiden nicht in der Nachbarschaft, im Knast von Kaisheim sitzen, fragt Hans Well zwinkernd mit den Augen, um sich dann später wieder mit Georg Schmid zu „versöhnen“. Solche Straßen wie in dieser Region, die gäbe es nirgendwo … Aktueller und lokaler geht es wohl kaum. Der VW-Abgasskandal, die Asylproblematik – alles wird eingebaut; und dabei fragt Hans Well zwischendurch immer wieder Tochter Sarah, welche Nummer man denn als Nächstes machen solle. Die vier berichten aus ihrer Heimat in Oberbayern („sprachlich sind wir in Schwaben in der Diaspora“), von den Häusern im Toskana-Stil, vom Pfarrer aus dem Senegal und von Gemeinderatssitzungen, die eigentlich „Eigentümerversammlungen“ seien. Und wo zur Belebung der Dorfmitte, weil alle Einkaufsflächen im Außenbereich sind, der Friedhof erweitert wird….Zuhören und Zuschauen wird bei den Bappn zum Genuss. Wenn etwa die Mikrokabel „aus den Fugen geraten“, wenn Tabea versucht, wieder einmal auf engstem Raum ein Instrument und ihren Platz zu wechseln – und sogar daraus ein Lacher wird. Hans Wells Kinder spielen mindestens ein Dutzend Instrumente. In den textlichen Inhalten findet sich jeder wieder, dabei jagen die Bappn ihr Publikum nicht. Immer wieder gibt es reine Instrumentalstücke. Mitsingen und -klatschen sind „manchmal“ erlaubt.
Den Menschen hat Hans Well schon immer auf das Maul geschaut: ob im Kindergarten zu Hause in Hausen, bei der Bürgerversammlung oder „Pfingsten dahoam“ mit einer verregneten Fahnenweihe. Jonas am Kontrabass, an der Tuba und an der Trompete gibt sich als eher „trockener“ Typ, Tabea und Sarah – gerne neckisch mit Schultern und Hüften wippend – am Horn, am Xylofon, mit dem Kazoo oder mit der Geige wirken da sogar noch eine Spur frecher. Nichts wird ausgelassen: Söder und Dobrindt, der „Horsti“ natürlich, überhaupt die „boarische Politik“, bei der übersteigerter Feminismus nicht zur Demokratie gehöre.Einen Beitrag widmeten die vier den Windrädern. Da werde gerne einmal argumentiert, die Rotoren würden so viel Lärm verursachen, dass man schon „bei a bisserl Wind die Autobahn gar nicht mehr hören“ könne. Ob in Kaisheim alles in Ordnung sei, kommt die Frage. In ihrem Heimatdorf Hausen sei es so – wie sonst könnte der Gesangverein „Harmonie“ und der Fußballclub „Eintracht“ heißen?
Die Kinder moderieren, als hätten sie nie etwas anderes gemacht. So stellt man sich ein musikalisches Kabarett vor: rotzfrech, frisch, unbekümmert, herzerfrischend. Wenn es mal grooviger im Sound wird, dann schluckt Papa Hans, aber er hat längst erkannt: „Die Jugend ist am Zug.“ Und von der darf man noch einiges erwarten.
„Pofalleri – Pofallera!“
von Wolfgang Buckl
Donau Kurier vom 20.09.2015
Im gut gefüllten, aber gro.zügig bestuhlten Saal des Alten Stadttheaters in Eichstätt erntete das Quartett am Freitagabend frenetischen Applaus. Zu bewundern waren neben dem Vater, Haudegen Hans, dessen zwei Töchter Tabea (22) und Sarah (23). Während Erstere bescheiden noch fulminantesten Applaus auf ihr furioses Geigenspiel allenfalls schüchtern lächelnd registriert, wobei sie sich zu den Instrumenten bückt, steht Sarah selbstbewusst auf der Bühne, wo sie das Publikum ironisch fixiert und dabei neckisch mit Hüften und Schultern wippt. Inzwischen fehlt Sohn Jonas: „Der hat jetzt sein Abitur und danach die Fliege gemacht“, für ihn ist kurzfristig Hans Wells Trompetenstudent Sebastian Gröller „aus dem Woid“ eingesprungen. Zum Einstieg zeigen die Wellbappn, dass sie sich über Eichstätt schlau gemacht haben – es geht um den Osterleuchter im Dom und den Verschleiß an Uni-Präsidenten, einen OB, „der lieber moderiert als dass er regiert“, um das Feuerwehrhaus im Hochwasserschutzgebiet und den Schul-Neubau vor der Willibaldsburg, um Betonklötze und die „Wolke“ am Bahnhof.
Aktuelle Verfehlungen aus der Politik sind dankbarer Stoff, im Lied von der Maut (da reimt sich „blamiert“ auf „abkassiert“) ebenso wie im Song von den „Schutzenglein“: Hier lautet das Motto „Ozapft is“, aber in der bissigen Pointe geht es um Internet, E-Mails und Handys: „Fange ich zu träumen an / fliegen Schutzenglein heran / Wanzen, Trojaner, Viren / knacken, observieren“. Noch relativ freundlich nur apostrophiert werden SPD-Politiker wie Gabriel und Nahles als „Sigi der G’wamperte und Nahles die G’schlamperte“, satirisch ätzend aufgespießt dagegen Hoeneß und Hansi Hinterseer, Eckhard von Klaeden oder Roland Koch, Letztere im Lied der „Karriere-Sprünge“, das den so lukrativen wie moralisch bedenklichen raschen Wechsel von Politikern in die Wirtschaft sarkastisch geißelt. Erinnert wird an Joschka Fischer („Der grüne Revoluzzer / macht jetzt für die Quandts an Stiefelputzer“), Ex-Finanzminister Fahrenschon (den Seehofer „fahren ließ“), oder Kanzleramts-Pofalla: „Für ein bis zwei Millionen im Jahr / pofalleri, pofallera / hat jetzt die Bahn im Vorstandsladen / einen Oberleitungsschaden“. Oft steht die Schärfe der Texte im größten Kontrast zur Sanftheit der Intonierung, etwa in der a cappella als Choral dargebotenen „Hoeneß-Passion“.
Was harmlos komisch beginnt, mündet in beißende Kritik – wie im Lied vom Paradies-Apfel („Do ist der Wurm drin…“), in dessen letzter Strophe es um Fertig-Lasagne geht („Do is a Rind drin – von einem alten Lipizzaner“), oder wie im Lied „Pfingsten dahoam“, worin regnerisches Sauwetter und Überschwemmungen, welche das Feuerwehrfest verhageln, dazu dienen, Bodenversiegelung und Flussbegradigung zu brandmarken. Das „Lehrer“-Lied outet die „Kultus-Lehrpläneerfinder“ als Kinderhasser: „Wia ma de Fratzen so richtig fertig macht / homs zoagt mit der Einführung vom G8“. Aktuelle Themen wie Asyl und Grexit kommen ebenso zu Wort wie latenter Hass in der Dorfgemeinschaft bei Freundschaftsspielen der F-Jugend oder der Bürgerversammlung im Feuerwehrhaus.
Wer all das gern noch mal hören möchte, kann sich bald die CD zu diesem Programm zulegen, die am 15. Oktober im Hörkunst-Verlag erscheint. Wem das zu lange dauert, dem sei die noch erhältliche erste CD des Quartetts „unter bayern über bayern“ empfohlen.
Spitze Zungen und brillante Klänge
Gelungene Mischung aus kabarettistischer Lesung und Musik der Wellbappn
Hans Well hat viele Facetten. Der Kabarettist ist mit 60 Jahren mit allen Wassern gewaschen. So schmeißt er das Programm fast alleine, wenn seine „Wellbappn“ nicht vollständig sind. In Mertingen wurde Tabea, die an der Musikhochschule vorspielen musste, durch Stefan ersetzt und Tochter Sarah (20) rockte mit dem Altmeister so perfekt die Bühne in der Antonius-von-Steichele Grundschule, dass sich das übliche „Very Well“-Gefühl einstellte.
Als nach dem überraschenden Ende der alten Familienformation Bayern die Biermösl-Öde drohte, währte der Kulturschock nicht lange. Was mit den Brüdern so recht offensichtlich nicht mehr klappen wollte, funktioniert im familiären Verbund mit den eigenen Kindern ganz vorzüglich. Dass voran Hans Well es war, dem die alte Blosn zu ruhig, gediegen und brav wurde, glaubt man jedenfalls sofort, hört man ihn aktuell. Die Jugend an seiner Seite trägt zusätzlich Elan bei, die Angriffslust ist wieder unbändig und Bayern das Gott gesegnete Land, wo der Stoff fürs Kabarett so schnell nicht ausgeht.
Das Repertoire scheint unermesslich. Die Kombination zwischen Musik und Liedern und den Erzählungen Hans Wells ist perfekt. Amüsant und voller Hintersinn liest er aus seinem Buch, bindet die Vergangenheit geschickt ein, präsentiert so ein Stück bayerischer Kabarettgeschichte.
Die Bahngewerkschaft kommt ebenso vor wie das „Bavarian Feeling“, ausgelöst vom FC
Barcelona. Well spricht mit Hochachtung von seinen Freunden: seinem Mentor Dieter Hildebrandt und den Panitz-Brüdern. Er erinnert sich an viele gemeinsame Treffen in Buttenwiesen mit den „Mehlprimeln“, an die schöne Zeit mit Fredl Fesl. Fast spürt man Wehmut. Zuvorderst bekommen die üblichen Verdächtigen zu spüren, dass die Wellbappn neuerdings auch beißen können: die CSU, die Bundeswehr, die Kirche, die Schützen und, und, und.
Auf der Bühne wirkt manches improvisiert, es gibt schon mal einen Hänger, oder alle drei müssen so über sich lachen, dass sie ins Stocken kommen. Und wird der Vater mal zu lang, dann ergreift Sarah, die Indologie studiert hat, die Initiative. Aber eigentlich könnte man Hans Well lange zuhören: Einfach genial waren seine Bemerkungen zu einem Auftritt der Biermösl-Blosn in Abidjan, der Hauptstadt der Elfenbeinküste, als sie noch während des Auftritts packen mussten, um nach einem Putsch schnell das letzte Flugzeug zu erwischen.
Papa Hans muss da durch
Musikalisch bewegte sich das Trio zwischen volkstümlichen Couplets und urigen Gstanzln.Auch einwenig groovigere Klänge werden im Programm abgestimmt, da muss Papa Hans dann durch, ob er will oder nicht, denn so langsam ist die Jugend am Zug. Mehr als einer Lesung oder einer konzertanten Darbietung glich der Abend, vom rührigen Mertinger Kulturkreis zum Muttertag organisiert, einem gemeinsamen fröhlichen Feiern, dann da und dort bezog Sarah Well das Publikum mit ein, wenn sie es etwa mit dem Singen des „Refrähs“ beauftragte.
Very well: Wellbappn in Nürnberg
von Jochen Schmoldt
Photos: Jochen Schmoldt
Plärrer im März 2015
Ganz gewiss haben die Well-Brothers über Jahrzehnte hinweg dazu beigetragen, den weißblauen Himmel über Bayern durchzulüften. Dann kam der Zerfall der Biermösl Blosn: Materialermüdung. Nur einer wollte den geraden Weg weitergehen und sich selbst mit frischer Luft versorgen: Hans Well, schon immer Mastermind der Blosn – von ihm stammten die meisten Texte. Allein wollte Hans Well nicht auf die Bühne, und er fand enthusiastische Mitstreiter in den eigenen Reihen: mit seinen Kindern Sarah, Tabea und Jonas. Neu getauft als „Wellbappn“, beschreitet das Quartett mit Witz, Schmäh, beinharter politischer Satire und unwiderstehlichem Charme den aufrechten Gang durch die Bayernlandschaft, mit klarem Blick für die dunklen Zonen. Jetzt waren sie erstmals auch in Nürnberg im ausverkauften Gutmann-Saal am Dutzendteich, kämpften anfangs gegen tontechnische Widerstände, um dann mit typisch Wellschen Wortkaskaden punktgenauen Hohn und Spott zu verbreiten, immer auch schön instrumentalisiert. Gut, dass es die Wellbappn gibt!
Frischer musikalischer Wind mit spritziger Satire
Seit Wochen fieberten die Kabarettfans der Region dem ersten Auftritt der neuen Formation um Hansi Well, dem Genius der ehemaligen Biermösl Blosn, entgegen. Wieder waren Familienbande im Spiel, denn die „Wellbappn“ sind niemand anderer als die musikalisch begabten Sprösslinge von Hansi Well: Jonas der Jüngste als Trompetervirtuose und seine beiden Schwestern Tabea und Sarah, mal mit Geige, mal mit der „Ziach“ und weiteren diversen Instrumenten. Die Lauterbacher Turnhalle war seit Wochen ausverkauft.
Jonas Well, Tabea Well, Hansi Well und Sarah Well (von links) begeisterten ihr Publikum auf der Lauterbacher Kleinkunstbühne.
Und die knapp 250 Besucher werden nicht enttäuscht. Bereits zu Beginn steigt die Stimmung auf den Siedepunkt, denn Hansi Well hat seine ketzerische Anfangshymne „Ja sagt´s, wo samma do heit g´landt´?“ auch bei den Wellbappn parat. Die Zuhörer sind begeistert von den detaillierten Kenntnissen über Land und Leute der Region. Vom Flutpoldererwartungsland über die „geistige Abschaltung“ der Wortelstetter beim Thema Windräder bis hin zum riesigen Fünffach-Kreisel statt Overfly in Wertingen spannen sie ihren musikalisch-witzigen Bogen. Nicht ausgespart wird „Europas berühmtester Schüttler“, dem jetzt ein Prozess droht: „Wegen Betrugs muss er vor Gericht, am Winter Schorsch droht sowas nicht!“ Doch auch der Lokalmatador bekommt sein Fett weg, weil „…manch aufgeklärten Bürger die Frage quält, warum ma so an Abzocker in Landtag wählt“.
Die Halle tobt und das Quartett setzt seinen satirisch bissigen Feldzug gnadenlos fort: Ob die dörflichen Gemeinderatssitzungen mit einem cholerischen Bürgermeister oder das verregnete Feuerwehrfest, wo das Wasser durch das Zelt und das angrenzende Gewerbegebiet schießt und alle „Geldträume“ wegschwemmt, ob Spänles verkorkstes Schulsystem oder die Mütter als „Furienweiber“ beim Spiel der F-Jugend – nichts bleibt von der spitzen Zunge und bissigen Satire verschont, immer verpackt in musikalische Unbekümmertheit und virtuoser Lust am Spielen und Singen. Das täuscht jedoch nicht darüber hinweg, dass es die Generationscombo mit ihrer Kritik an gesellschaftlichen und politischen Verwerfungen ernst meint.
Nach so viel musikalischem Hohn und Spott setzen Jonas mit seinem exzellenten Trompetensolo und Tabea mit ihrem einfühlsam gespielten Geigenpart einen entspannenden Kontrapunkt und beweisen, dass Musikalität erblich sein kann. Man merkt dem Hansi seinen Vaterstolz an, mit Recht. Denn egal welche Melodie, egal welches Instrument – die drei Sprösslinge im Alter von 18, 20 und 22 Jahren beweisen, dass sie dem Vater musikalisch-instrumental bereits überlegen sind. Dafür zeigt er ihnen, wie Spottlieder aktuell und tiefgründig getextet und in passenden, zumeist etwas verfremdeten Volksliedmelodien umgesetzt werden. Das beste Beispiel dafür ist das Klagelied „Ach Himmel, es ist verspielt…“ eines einsamen „Schüttlers“, der sich von seinen Parteifreunden verraten fühlt, denn andere „halten in Wind ihr Fähnle, da Brunner, da Eck, da Pschierer und Spänle“.
Und noch einmal läuft das Quartett zur Hochform auf, als sie den „Susei-Jodler“ und das Brautwahllied anstimmen, denn das „bairische Madl“ will weder einen Banker, noch einen Bombenentschärfer, auch keinen bedächtigen Schwaben, und schon gar nicht einen Straßen-bahnschienenritzenreiniger, sondern einen Musikant, die „san die besten Liabhaber im ganzen Land“. Zu einem grandiosen kabarettistischen Schlussakkord gerät die Lesung aus dem „Buche Bayern“ über die aktuelle Politprominenz von „Siggi, dem Gwampat´n“ und „Nahles, der Gschlampat´n“ zu Dobrindt, dem „Mautritter“. Dazu gesellen sich Politiker wie Schröder oder Pofalla, deren Wechsel zu einträglicheren Wirtschaftsposten genauso gegeißelt wird wie die Schnüffelei der Nachrichtendienste bis ins Ehebett hinein in der stürmisch gefeierten Zugabe des „Gute-Nacht-Liedes“.
Die Wellbappn, die Nachfolger der Biermösl-Blosn, begeistern in Sinning auf Einladung der Initiative gegen Rechts
Schlosswirtschaft: Hans Well und die Wellbappn. – Foto: Heumann
Mit neuer Bissigkeit
Sinning (lm) Wer das Wort „Bappn“ schon im Namen führt, nährt den Verdacht, jene doch nicht halten zu können. Kluger Einsicht folgend, lenkt der (bühnen-) erfahrene Pädagoge das Unvermeidliche in positive Energie um. Praktisch im zeitgemäßen Denglisch, wenn mit dem Familiennamen „Well“ gleich noch was Gutes, das Verheißendes ganz von allein dazukommt.
Von Gerda Enghuber
Donau Kurier vom 20.10.2014
Bloß gut, dass die Wellbappn jetzt den Mund aufmachen. Und wie.
Als nach dem überraschenden Ende der alten Familienformation Bayern die Biermösl-Öde drohte, währte der Kulturschock nicht lange. Was mit den Brüdern so recht offensichtlich nicht mehr klappen wollte, funktioniert im familiären Verbund mit den eigenen Kindern ganz vorzüglich. Dass voran Hans Well es war, dem die alte Blosn zu ruhig, gediegen und brav wurden, glaubt man jedenfalls sofort, hört man die neue Bissigkeit. Die Jugend trägt zusätzlich Elan bei, die Angriffslust jedenfalls ist wieder unbändig und Bayern das gottgesegnete Land, wo der Stoff fürs Kabarett so schnell nicht ausgeht.
Es muss schon so etwas wie besondere Well-Gene geben, dass jetzt schon in der dritten Generation mit eher wachsender Begeisterung – und Können, was gerade den instrumentalen Part anbelangt – bühnenreif musiziert wird, die Familienverbände auch so funktionieren. Pures Idyll war’s sicherlich nicht, fünfzehn Kinder in einem Lehrerhaushalt. Wenn auch heute noch Vater und Sohn aus Gaudi die femininen Familienmitglieder wohlfeil und am liebsten gleich vor Ort anpreisen, lebt ein Stück alter Tradition in humoresker Form weiter.
Das Beste draus machen, ist sowieso das probate Rezept, trifft man freistaatlich nicht alles so vor, wie’s sein sollte oder, noch in Steigerung, wie man’s sich eigentlich gar nicht vorstellen mag, dass es dennoch ist. Der Generationenwechsel erweist sich da nur förderlich, ist es Primat der Jugend, Dinge und vor allem die dazugehörigen Leute nur unbekümmerter und gleich noch eine Spur respektloser beim Namen zu nennen. Alte Biermösl-Tugenden leben herzerfrischend verjüngt fort, Politsatire mengt sich mit herrlichstem literarischen Klamauk, bereichert noch um eine beeindruckende instrumentale Vielfalt. Eine gewisse Christ-sozial-Lastigkeit entspricht nur deren staatstragenden Bedeutung und der stets bekundeten, ja gerade sprichwörtlichen Liberalitas. Hier in Sinning bei der Initiative gegen Rechts passt natürlich das mentale Umfeld total.
Kulturherbst Ellertal: Die Wells halten ihre Bappn nicht
Hans Well und seine Kinder präsentieren sich im Reh-Saal rotzfrech und unbekümmert.
Fränkischer Tag vom 28.September 2014
von Bertram Wagner
Hans Well und seine junge Familienbande machte es Wolfgang Heyder als neuer Spitze der SPD Kultur AG leicht, für eine reibungslose Stabübergabe von Anton Söhnlein und einen gelungenen Auftakt des diesjährigen Ellertaler Kulturherbstes (mit insgesamt zehn Veranstaltungen) zu sorgen. Im ausverkauften Saal der Brauerei Reh offenbarte das oberbayerische Quartett ein sehr freches Mundwerk, erinnerte in der ein oder anderen Szene schon an die ehemalige Biermösl Blosn, kam jedoch sehr viel frischer und spontaner rüber als das Brüder-Trio nach drei Jahrzehnten. Was wiederum nicht verwundert. Nach gut zweieinhalb Jahren haben sich die „Wellbappn“ längst aus dem Schatten gespielt und befreit: Der Lohndorf-Auftritt bot viel Spott und Ironie, dazu ein musikalisches Schmankerl nach dem anderen.
Eine neue Well-Ära
Dieses Komplett-Paket mit vielen Facetten aus dem Alltag und der großen Politik ist noch höher einzuschätzen, wenn man weiß, dass Abiturient Jonas immer noch durch die Nachwirkungen einer Mumps-Erkrankung eingeschränkt ist und dessen Schwester Tabea trotz starker Halsschmerzen ihre Sanges- und Geigen-Künste eindrucksvoll unter Beweis stellte. Dem Vater fiel hinterher ein Stein vom Herzen und er verwies darauf, dass die neue Zeitrechnung mit seinen Kindern nun viel spannender sei als die letzten Jahre mit seinen Brüdern („da wurde nur noch Bewährtes gespielt“). Der 61-jährige Ausnahmetexter („jeder Abend macht nun tausendmal mehr Spaß“) nannte für den neuen Mut zum Risiko das „Haderthauer-Klagelied“, das den Jungen überhaupt keine Ängste bereitet. „Ich erlebe jeden Text mit und sehe die Entwicklung der Kinder auf der Bühne. Zuletzt war das Biermösl-Hauptmanko, dass wir der Zeit hinterher waren. Nun sind wir wieder voraus!“
Ja, Vater und Nachwuchs bewiesen auch lokales Wissen in der „fränkischen Toskana“: Angefangen von der Litzendorfer Verkehrslawine und Sporthalle über die Bamberger „Chefarzt-Doktorspiele“ bis zum Naturschutz im Steigerwald wurde zunächst lokal gelästert, ehe sie ihr „Dahoam“ über den Schellenkönig priesen. Unbekümmert nahmen sie Gemeinderats-Sitzungen, Bürgerversammlungen und Berufsgruppen so richtig aufs Korn und banden auch das Publikum mit ein. Sie wechselten im Eiltempo die Themen und Instrumente.
Wellnes-Kur für die Lachmuskeln
Wenn „mitten auf der Straß d’Henna rumlaffa“, wenn „endli amoi statt dem Misthaufa a Kreuzung baut werd“, dann ist man in Reichertshausen angekommen. Und will man kulturell was erlebn, „muas ma zum TSV in`d Ilmtalhalle gehn“.
Von Hans Steininger
Pfaffenhofner Kurier vom 20.07.2014
Reichertshausen. So frech und pointiert setzten Hans Well und sein satirischer Nachwuchs Jonas, Tabea und Sarah von Beginn an Zeichen und machten klar, dass sie kein Blatt vor den Mund nehmen wollen. Das wurde auch so erhofft, denn nicht umsonst hatte der TSV Reichertshausen das Quartett engagiert, dem ein entsprechender Ruf vorauseilt.
Und so ziehen sie vom Leder aus einem reichen Erfahrungsschatz ihrer Heimatgemeinde Hausen, der sich nahtlos auch auf andere bayerische Kommunen übertragen lässt: Egal, ob Gemeinderatssitzung, Bürgerversammlung oder Kindergarten, alle bieten genügend Stoff für Hans Well, der dem Volk auf’s Maul schaut und es treffend persifliert. Und das wird einbezogen ins Programm, wenn laut Well die Schnecken in seiner Bierfalle singen: „Oane geht no, oahne geht öiwei, wir sitzen auf dem Trock’nen, schenk’ no a Halbe ei.“ Das kommt an, da singt man mit, wie sich die Wellbappn überhaupt bekannter Volksliedern bedienen.
„Pfingsten dahoam 2013“ beschreibt musikalisch eine verregnete Fahnenweihe im Bierzelt, die sich von einem Rinnsal bis zum Hochwasser entwickelt, mit Strophen, die parallel mit dem Anschwellen der Wasserflut immer länger werden, wie beim „Birnbaum in der Au“. Dabei beschreibt der Text ein chaotisches Szenario, wie es halt nur die Wellbappn zuwege bringen. Die präsentieren sich ganz unprätentiös, der Well Hans mit seinen Töchtern Sarah und Tabea, begleitet von Sohn Jonas am Kontrabass. Der beweist solistisch sein Können an der Tuba und Trompete, auch die Mädels erweisen sich als Multi-Instrumentalistinnen, am Horn, am Xylofon, mit dem Kazoo oder der Geige. Und sie moderieren auch, als hätten sie nie etwas anderes gemacht.
Nichts, gar nichts wird ausgelassen, was die Schlagzeilen beherrscht: Obama kontra Merkel, Hoeneß kontra Steuerfahndung, Söder und Dobrindt, Seehofer und die gesamte bayerische Politprominenz, alle bekommen ihr Fett weg, pointiert, spitzzüngig, manchmal derb, aber immer satirisch treffend.
So führt das Programm vom Hundertsten ins Tausende, man muss genau hinhören, um keine Pointe zu verpassen. Auch musikalisch ist das Gebotene vielfältig: A-cappella-Auftritte sind ebenso zu hören wie reine Instrumentaltitel, bei denen neben Jonas auch Tabea an der Geige solistisch überzeugt. Und Jonas’ Tuba konkurriert mit der Diatonischen vom Hans Well, der auch mal zur Gitarre greift. Dessen „Lesung aus dem Buch der Bayern“, in Wortwahl und Duktus einer Predigt gleichend, folgt ein ebenso gelungener Vortrag des Quartetts in Form eines liturgischen Gesangs, der aus lateinischen Textfragmenten und bayerischen Ausdrücken einen wahnwitzigen Wortsalat bildet, der aber vorzüglich schmeckt. Überhaupt beweisen die Wellbappn über das ganze Programm hinweg immer wieder mal verquere Gedankengänge. Karl Valentin lässt grüßen.
Ein frisches, rotzfreches Quartett also, das sämtliche Facetten des musikalischen Kabaretts ebenso beherrscht wie das Publikum, das es schnell im Griff hat. Das war eine Wellness-Kur für die Lachmuskeln, dabei stehen die Wellbappn erst am Beginn einer Karriere, die noch viel erwarten lässt und die Familientradition respektloser kabarettistischer Bösartigkeiten erfolgreich fortsetzen wird. Denn wie meinte Franz Rubey als Leiter des TSV-Festausschusses, am Beginn der Veranstaltung: „Blosn – Biermösl-Blosn – Hans Well und seine Wellbappn: das ist nicht mehr steigerbar“.
Spritzig, salopp und musikalisch top
von Hans Nusko. Foto: Hans Nusko
Donaukurier vom 06.04.2014
„Will man in Beilngries kulturell etwas erleben, muss man zur Nepalhilfe gehen.“ Das haben Hans Well und die Wellbappn am Freitagabend zu Beginn ihres Auftritts in der Aula des Beilngrieser Gymnasiums gesungen.n ihres Auftritts in der Aula des Beilngrieser Gymnasiums gesungen. Sie traten rund zwei Stunden den Beweis für diese Behauptung an.
In der Tat war das Benefizkonzert zugunsten der Nepalhilfe etwas Besonderes. Kaum hatten Well sowie seine Kinder Sarah, Tabea und Jonas auf der Bühne losgelegt, drängte sich spontan der Eindruck auf, man habe Biermöslblosn reloaded vor sich. Bissige, teils bitterböse Texte zu aktuellen Themen, mitunter purer Klamauk, eine geschickte Rollenverteilung und nicht zuletzt hervorragende musikalische Darbietungen ergaben ein Programm, das einerseits bewährte Elemente aus früheren Programmen der Biermösl Blosn enthielt, andererseits aber mit vielen gelungenen Neuerungen und erfrischender Lockerheit aufwartete. Jugend forsch eben.
Wie einst die drei Well-Brüder, begannen auch Papa Well und die Bappn mit einem Lied über lokale Begebenheiten. Das Kreuzgewölbe im Haus des Gastes und der Brand eines Beichtstuhls in der Kirche kamen dabei ebenso vor wie das dem einheimischen Gerstensaft vorgezogene Volksfestbier aus Mittelfranken. Bezüglich des Wählerverhaltens in der Großgemeinde hieß es, manche Ortsteile seien so „schwarz“, dass selbst bei Mondfinsternis noch ein Schatten geworfen werde.
Schnell war die Verbindung zu Hausen, dem Heimatdorf der Familie Well, geschlagen. Dort sei zumindest vordergründig alles in Ordnung, heiße der Gesangverein doch „Harmonie“ und der Fußballklub „Eintracht“. Dann ging es um Ärgerliches, Kurioses und Widersinniges. Die geringe Halbwertszeit mancher Feststellungen des bayerischen Ministerpräsidenten („Wennst an Seehofer fragst, woaßt nie, wos der Horst dann sagt“) kam dabei ebenso vor wie der von Eltern oft auf ihre Kinder ausgeübte Leistungsdruck („Bringst du noch einmal einen Dreier heim, dann schlachten wir dein Hasilein“). Nicht fehlen durfte auch die Causa Hoeneß. Er gehöre doch eher in den Ruhmestempel Walhalla als ins Gefängnis, spottete das Quartett.
Aber auch sich selbst und ihre Altersgruppe nahm die Bappn wiederholt auf die Schippe. Der Jonas verzweifelte an der von ihm verehrten Zitzelsberger Jaqueline, Tabea und Sarah wurden zwecks Raumgewinn im Eigenheim potenziellen Verehrern angeboten. Selbst bloßer Nonsens war mehr oder weniger wissenschaftlich verpackt. So reimte man auf den Satz des Pythagoras: „Wenn’s regnet, werden die Haare nass.“
Im wahrsten Sinn des Wortes ein Lied mit Tiefgang war „Pfingsten dahoam 2013“, bei dem es um das nicht zuletzt durch Flächenversiegelungen oder Flussbegradigungen verursachte Hochwasser ging. Ein Beitrag drehte sich auch um Windräder und die oftmals kontroversen Diskussionen über deren Auswirkungen. Da werde dann gerne einmal argumentiert, die Rotoren würden so viel Lärm verursachen, dass man schon „bei a bisserl Wind die Autobahn gar nicht mehr hören“ könne.
Wie von Mitgliedern der Familie Well nicht anders zu erwarten war, gab es auch etliche musikalische Höhepunkte. Soli von Tabea (Geige) oder Jonas Well (Trompete) begeisterten das Publikum ebenso wie gemeinsam Gespieltes oder mehrere Intermezzi a cappella. Selbst Freunde des Bavarian English kamen auf ihre Kosten. Bei einer urkomischen Hommage an den Freistaat wurde sogar Flagge gezeigt. Auf Englisch lässt sich das Geschehen auf der Bühne auch trefflich zusammenfassen: Well done!
Mittelbayerische Zeitung von 18.03.2014
PYRBAUM. Von Bürgermeistern, die jeden Tag aus dem Tagblatt herausgrinsen, vom 150-jährigen Feuerwehrfest, wegen dem man den Urlaub abgesagt und das es dann richtig verregnet hat und von Uli Hoeneß, der jetzt Präsident vom FC Stadlheim werden könne, sangen und spielten Hans Well und seine Wellbappn in Pyrbaum. In der Mehrzweckhalle war am Samstag die Stimmung bestens.
Das bayerisch-zünftige Quartett machte sich auch so seine Gedanken über Pyrbaum, das einen Metzger suchte, und empfahl hierzu einen Hoeneß als Ansprechpartner. Sie erzählten von Abstimmungen im Gemeinderat und dem einen, den es in jeder Gemeinde gibt, der immer dagegen sei. Von Windradeln und Kreisverkehren, vom Seehofer und der großen Politik oder auch vom Burschenverein „Whiskey crashed Ice“ und dem Sportverein Eintracht war an diesem unterhaltsamen Abend ebenfalls die launige Rede. Von der Gemeinde ging es zur Schulpolitik, und wenn hier aus G8 Hartz-IV werde, sei wohl etwas ganz schön schiefgelaufen. „Bachelor und Master – des heißt auf Deutsch Desaster“, so der Tenor der Wellbappn.
Wenn Hans Well mit Sarah, Tabea und Jonas auf der Bühne in Aktion sind, wird schnell klar, dass sie ihr Handwerk verstehen. An Instrumenten mangelt es nicht. An diesem Abend kommen Quetschn, Geige, Tuba, Trompete, Alphorn und vieles mehr zum Einsatz. Die Texte sind durchdacht, jede Pointe sitzt und an den Instrumenten erweisen sich Tabea, Sarah und Jonas als Meister.
Auch ein wenig groovigere Klänge werden im Programm angestimmt, da muss Papa Hans dann durch, ob er will oder nicht, denn jetzt ist die Jugend am Zug. In Bavarian-English wird dem Bayernlande gehuldigt und auch eine kleine Bayernfahne wird gehisst.
Auch zum Prozess von Uli Hoeneß haben sich die vier so ihre Gedanken gemacht und kommen zu dem Schluss, dass die Steuerfahnder sicher Borrussia-Fans sein müssen. Für die Tabea und die Sarah waren der Hans und der Jonas schließlich auch auf Brautschau, „weil daheim der Platz langsam z’eng wird“. Doch weder ein Banker, ein Oberpfälzer noch ein Feldwebel wollte den beiden gefallen.Ihr Herz gehört „am Musikant, die besten Liebhaber vom ganzen Land“.
Tosender Beifall war der verdiente Lohn am Ende eines gelungenen Abends, der das Prädikat „besonders sehens- und erlebenswert“ mehr als verdient hat.
Friedhof erweitern, um Dorfmitte zu beleben
Mit Musikalität, Witz, Spottlust und toller Bühnenpräsenz: Die Begeisterung über die »Wellbappn« beim Oberwirt in Otting war riesig. Jonas, Tabea, Hans und Sarah Well (von links; Foto: H. Eder) bescherten dem Publikum einen politischen Abend etwas anderer Art.
von Hans Eder
Traunsteiner Tagblatt vom 03.02.14
Die deutlich über 200 Besucher im Saal rieben sich erst einmal die Augen wegen der Bühnendekoration. Die Veranstaltung war schließlich von den Waginger Grünen organisiert; warum also erstrahlte die Bühne in deftigem Blau? Des Rätsels Lösung: Die Bühne ist schon hergerichtet für das demnächst stattfindende Kindertheater, und so kam sich Hans Well, wie er spöttelte, vor wie ein »Nachtgespenst«.
Der Grünen-Wahlkampf wurde dabei sehr dezent behandelt: Inge Kämpfl stellte lediglich die Gemeinderatskandidaten vor – nur optisch – und überließ dann die Bühne den »Wellbappn«, die gleich in die Vollen gingen und Waginger Sonderbarkeiten und noch einige aus der Region pointiert auf die Schippe nahmen. Zur Ortssanierung sangen sie »Waging – wo man de Kinder die Ewigkeit so erklärt / des is dann, wenn des Babl-Haus amoi herg’richt werd.« Und über die Vergabepraxis im Gemeinderat: »Wo’s bei öffentliche Bauaufträge geht ruckzuck / weil ois, wos da Schwangler net kriagt, kriagt da Kleißl Lugg.«
Den ersten Teil ihres Programms widmeten die Vier den modernen Entwicklungen im Bayernland, wo die Häuser im Toskana-Stil erbaut werden, die Hausfrauen mit riesigen Geländewagen zum Discounter fahren, der Pfarrer aus dem Senegal kommt, der überdimensionierte Kreisverkehr mit einem Krötenteich ausgestattet wird und Gemeinderatssitzungen »Eigentümer-Versammlungen« sind, auch wenn man das eigentlich nicht sagen dürfe. Und wo zur Belebung der Dorfmitte, weil alle Einkaufsflächen im Außenbereich sind, der Friedhof erweitert wird.
In vielschichtiger musikalischer Form wurden im Folgenden viele Themen ausgebreitet. Es war ein Genuss zuzuhören und zuzuschauen. Das Publikum ging begeistert mit und spendete reichlich Applaus. Die Waginger Grünen-Bürgermeisterkandidatin Hedwig Witzleben fasste zusammen: »Da brauchen wir keine großen Wahlversammlungen. Vieles haben die Wells heute Abend schon gesagt. Hans Well und seine Wellbappn waren großartig. Aktuell, kernig, ironisch und musikalisch ein Genuss.«
Wellbappn:Zwischen Groove und Zwiefachem
So Schön kann Volksmusik sein
von Andreas Gebhardt
Photo:Fischer
Hessische/Niedersächsiche Allegemeine vom 02.12.2013
Vellmar. Ein typischer Tag im Hause Well im bayrischen Zankenhausen: Hans Well steht morgens auf, liest am Frühstückstisch den „Bayernkurier“, regt sich kräftig auf oder lacht sich eins über die Blödheit der da oben und unten.
Seine Kinder Sarah, Tabea und Jonas kommen hinzu. Überall stehen Musikinstrumente herum, jeder greift sich eins, und schon entsteht ein böses lustiges Volkslied. Ist es so? Wir wissen es nicht. Möglich wär’s. Nach der Auflösung der Biermösl Blosn ist die Welt jedenfalls nicht untergegangen.
Vorhang auf: Die nächste Generation ist angetreten. Man hat sich im Querschnitt verjüngt – grüß Gott: Hans Well und Wellbappn. Am Samstag gastierte das Quartett im Bürgerhaus Vellmar-West, einer der (noch) seltenen Auftritte nördlich des Weißwurstäquators.
Sie haben sich gut vorbereitet, das nordhessische Elend kam gleich zur Sprache: der Flughafen ohne Flugbewegungen, der Schwimmbadstreit, Hessentag und Pleitegeier. Eine bissige Zusammenfassung als Litanei, die sich noch lange fortschreiben ließe.
Tuba, Trompete, Geigen, Gitarre, Akkordeon, Drehorgel, Saxofon und, und, und. Jeder spielt fast alles, und doch kommt es nicht als Leistungsschau daher, sondern beiläufig, immer auf die Texte zugeschnitten und immer gegenseitig auf Augenhöhe. Nichts ist ihnen heilig, aber das war ja schon bei den Biermösl Blosn so, wo Hans Well ebenfalls getextet hat. Satire, Groteske, Politkabarett und Sinn für die absurden Nuancen des täglichen Wahnsinns gehen Hand in Hand. Die Gemeinderatssitzung wird genauso tranchiert wie Tebartz-van Elst mit seinem Weihwasser-Whirlpool de luxe („Alle fallen über mich her, als ob ich ein Verschwender wär“). Anrührend wird es, als Hans Well an den unlängst verstorbenen Weggefährten und Kollegen Dieter Hildebrandt erinnert. Das nachfolgende Ständchen beginnt getragen und endet sehr heiter. Hildebrandt hätte das gefallen. Drei Zugaben verlangt das hingerissene Publikum und bekommt sie. Jonas Well zeigt, dass er ein begnadeter Trompeter ist und auf Playback (wie sonst in der volkstümlichen Musik üblich) einfach mal pfeift. Um schließlich noch Hansi Hinterseer anzublasen (dessen Gesang „schlimmer als Schweinegülle“ sei), lassen die Wellbappn Alphörner erklingen, die ins Publikum hineinragen. So schön kann Volksmusik klingen.
Als der eine, Hans (Glück), den anderen (Well) vor etwa einem Jahr gebeten hatte, beim Hoffest zu spielen, war die kultverdächtige Biermösl Blosn gerade aufgelöst und noch keine neue Formation fixiert. Die Zusage gab Hans Well trotzdem, nicht zuletzt, weil man sich „schon ewig“ kennt. Dass er inzwischen zusammen mit seinen Kindern ein solches Programm auf die Bühne gebracht hat, ist bewundernswert. Charme, Humor und Improvisation wogen den gelegentlichen Mangel an Perfektion und Routine leicht auf.
Hans Well gab sich von Beginn an ganz, wie man ihn kennt: Nach langer Zeit wieder einmal zu Gast im „Stoamaßl-Brücken-Erwartungs-Land“, in dem er bei der Anreise allenthalben die asphaltierten Spuren des Verkehrsministers „Ramses des Großen“ entdeckt hatte, eröffnete er das Konzert gleich mit einer Strophe voller regionaler Anspielungen. Er hatte die Lacher auf seiner Seite, wenn er davon sprach, dass hierzulande anstelle des Storches bald der Edeka zum Wahrzeichen der Stadt würde, und bei der Zeile „so oan wia an Daxenberger Sepp bringan de Schwarzn einfach ned her“ brandete Szenenapplaus auf.
Doch auch die Anekdoten aus der Kommunalpolitik von Wells Heimatgemeinde ließen sich problemlos vergnüglich auf die Verhältnisse in Tittmoning übertragen, wie den Reaktionen des Publikums anzumerken war. Wie zu erwarten, mangelte es in den mal mehrstimmig, mal im Wechselgesang mit den Kindern vorgetragenen Texten wieder einmal nicht an Seitenhieben gegen die CSU, allen voran Generalsekretär Dobrindt, und ihre Bildungs- und Landwirtschaftspolitik sowie den katholischen Klerus. Doch auch die Weltpolitik wurde in den Liedern aufs Korn genommen. Ob Angst vor „Überfremdung“ und Islamismus, Organhandel, Finanzkrise oder Autoindustrie: zu jedem Thema gab es Kritik, zugespitzt zu Pointen, die saßen. Vielleicht auch Dank der „Verjüngung“ des Teams wurden außerdem Jugendthemen wie Komasaufen und Schullaufbahn kritisch-satirisch beleuchtet Die Well-Kinder mauserten sich dabei im Laufe des Konzerts von respektablen neuen Begleitern zu selbstbewussten Mitstreitern ihres Vaters und gar zu Solisten. Die beiden jungen Frauen beeindruckten vor allem durch ihren Gesang und auf der Geige, aber auch unter anderem an Schlagwerk, Saxophon, Mandoline und Akkordeon. Der Jüngste, Jonas, steuerte meist an Tuba und Bass die tiefen Töne bei, bis er zuletzt in einer Zugabe sein schon fast wörtlich atemberaubendes Können als Trompeter unter Beweis stellte: ein echtes Gustostückl. Ihm fielen auch die Tanzeinlagen vom Schuhplattler bis zum Sirtaki zu. Denn neben bayerischer Volksmusik, die das Quartett instrumental und vokal von Grund auf beherrscht, fanden immer wieder auch internationale Zwischentöne Eingang ins Programm. Passend zu den jeweiligen Nummern zauberten die Wells auch griechische Folklore, exotische Klänge, Jazz-Blue-Notes und HipHop-Beats auf die Bühne. So wurde etwa die zarte Stubenmusi im Albtraum von der Islamisierung musikalisch orientalisiert.
Mehr als einer konzertanten Darbietung glich der Abend oft einem gemeinsamen fröhlichen Feiern, denn immer wieder bezog Hans Well das Publikum mit ein, wenn er es etwa mit dem Singen des „Refrähs“ beauftragte. Und wenn der Vater wieder einmal ein Textblatt verlegt hatte oder sich in der Strophe irrte, war ihm das Verständnis der Zuschauer ebenso sicher wie der freundliche Spott seiner Sprösslinge. Alle drei bewiesen neben ihrem musikalischen Talent jede Menge Improvisationsvermögen und Spaß am Nonsens Dass Hans Well ihnen gerne und zuversichtlich Platz einräumt auf der Bühne, erklärt vielleicht auch, warum er immer noch weiter macht, auch wenn eine seiner Zeilen verzweifelt flucht: „Himmel Hergott Kruzifix, warum ändert sich denn nix?“ Die Hoffnung, nur nicht aufzugeben, das war schließlich auch die Botschaft des „Biobauern-Marsches“, einer „Blasmusik für Nicht-Bläser“, bei der die Melodie – angefeuert von Rufen wie „ned locker lassen“ und „wird scho“ – nur mühsam, schwerfällig, immer wieder abgebremst, zum Schluss aber eben doch in Fahrt kommt.
„Oane geht no“, tönte es vielstimmig von den Bierbänken, als nach der originellen Bibelparodie „Lesung aus dem Buche Bayern“ und einer der berühmt-berüchtigten Well-Litaneien in „bairischem Kirchenlatein“ das eigentliche Programm zu Ende ging: „Habemus Papam, Amen!“ Der Bitte nach Zugabe kam das Quartett gerne nach, doch einmal musste auch Schluss sein: „Der Jonas muass morgen wieda in`d Schui.“
Urbayerisch und widerborstig
Am Ende des Abends waren alle zufrieden: das Publikum, weil es sich gut zwei Stunden lang bestens unterhalten fühlte, die Künstler, weil sie trotz einiger kleiner, allerdings durchaus charmanter Holprigkeiten ihr Programm prächtig über die Bühne gebracht hatten, und schließlich auch der Veranstalter, in diesem Fall die Süddeutsche Zeitung, weil der große Stadtsaal im Veranstaltungsforum bis fast auf den letzten Platz gefüllt war und somit ordentlich Geld in die Kasse des SZ-Adventskalenders kam. Das Hilfswerk der Süddeutschen Zeitung unterstützt schon seit mehr als sechs Jahrzehnten Bedürftige – auch im Landkreis Fürstenfeldbruck. Alleine in den vergangenen zehn Jahren, sagte SZ-Redaktionsleiter Gerhard Eisenkolb am Mittwoch zum Beginn der Benefizveranstaltung in Fürstenfeld, seien mehr als eine Million Euro an Spendengeldern in den Landkreis geflossen. Der Bedarf ist unbestritten nach wie vor groß, die Hilfsbereitschaft der SZ-Leser aber auch.
Ganz ohne Zweifel: Für einen gelungen Auftakt der diesjährigen Adventskalender- Aktion haben am Mittwochabend der Münchner Schauspieler Michael Lerchenberg und die Musikerfamilie Well aus dem Türkenfelder Ortsteil Zankenhausen gesorgt. Daran vermochte auch die Tatsache nichts ändern, dass Jonas Well erst vor kurzem eine Zahnspange verpasst bekommen hat („super zum Trompetespielen“) und dann unglücklicherweise auch noch in den Stimmbruch gefallen ist. Hans Well, bis vor kurzem noch Führungskraft der jetzt schon legendären Biermösl Blosn, spielte mit seinen Kindern Tabea und Jonas dennoch so unbekümmert und rotzfrech drauflos, dass ihnen das Publikum auch die kleinen Fehler und Textunsicherheiten jederzeit verzieh. Well hatte auch eine durchaus plausible Erklärung dafür, dass nicht alles wie am Schnürchen klappte: „Das G 8 ist schuld“, sagte er, „die Kinder haben kaum noch Zeit zum Üben.“
Wer meinte, dass der politische Teil des Abends damit auch schon wieder beendet war, sah sich allerdings ganz schnell auf dem Holzweg – oder kennt die Wells nicht. Die stellen sich nicht einfach auf die Bühne, schalten den Weichspülgang ein und spielen Adventslieder, dass einem ganz warm ums Herz wird. Ja, man ist sogar geneigt zu sagen, dass der Name „Wellsittiche“, den sich die Well-Kinder für den Benefiz-Abend der SZ zugelegt haben, arg in die Irre geführt hat, weil er gar so brav und harmlos daherkommt. Denn wenn sie in ihren Liedern schon ein kirchliches Thema aufgreifen, dann kommen in dem Text garantiert der Regensburger Bischof Müller und der Augsburger Ex-Bischof Mixa vor, von denen sich nicht viel Gutes sagen lässt, außer, dass sie höchstwahrscheinlich ziemlich fromm sind. Die Feststellungen, dass „Islamisten nix so sehr fürchten wie einen Andechser Doppelbock“ und die NPD vor allem dann „ein Riesenproblem hat, wenn der Verfassungsschutz verboten wird“ seien einfach mal so in den Raum gestellt. Und wer den wahren Schuldigen für das Scheitern von Münchens Olympia-Bewerbung sucht, voilà: Die Wells stellen ihr Lied vor, mit dem sie der Landeshauptstadt ihren Auftritt in Durban verdorben haben – eine Schuhplattl-Einlage von Jonas inklusive.
Das alles geht natürlich sehr gut zusammen mit den Texten von Oskar Maria Graf, der auch so ein Unbequemer war und den die Obrigkeit kreuzweise konnte. Der Schauspieler Michael Lerchenberg liest die Geschichten, die vor Kraft nur so strotzen, mit sparsamen Gesten und großer Sensibilität, ohne sich selbst über Gebühr zu inszenieren. Es sind Texte, die von Grafs Kindheitserinnerungen in Berg am Starnberger See handeln, von Ludwig II., dem Kini, der dort als Leiche aus dem Wasser gezogen wurde, wenn er nicht vielleicht doch auf die andere Seeseite geschwommen ist. Und vom Wesen des bayerischen Humors an sich sowie von der Zeit im New Yorker Exil, wohin Graf vor den Nazis flüchten musste und wo er nie richtig heimisch geworden ist. Oskar Maria Graf ist auch in Amerika durch und durch ein Bayer geblieben und die Wells müssen ihn aus seinen Büchern offenbar ziemlich gut kennen.
Hans Well & Co -die Welt in der wir leben
www.kultkomplott.de vom 09. April 2016
Von Jörg Konrad
Olching. Ist er Kabarettist oder ist er Komiker? Vielleicht auch „nur“ Musiker oder Dichter, oder doch Systemkritiker? Hans Well, der 9. Sproß der Well-Dynastie aus der Gemarkung Willprechtszell im Landkreis Aichach-Friedberg ist vor allem eines: Hans Well. Ein authentischer Zeitgenosse, geradeheraus im Denken, genial im Spielen und ausgestattet mit jeder Menge Humor. Und die Wellbappn, in Hochdeutsch so viel wie „vorlautes Mundwerk“, sind seine Plattform, die ihrem Namen alle Ehre machen. Wie gestern im Olchinger KOM. Wenn auch in abgespeckter Besetzung mit Tabea Well, Sebastian Gröller (statt Jonas Well) und Hans, ihm selbst. Bei ihnen gibt es kein unverbindliches „Hallo Olching“. Gleich im ersten ihrer gstanzelartigen Spottgesänge kommt ihre eingehende Beschäftigung mit der Politik vor Ort zum Ausdruck. Und sofort ist auch das Eis gebrochen – man fühlt sich als Publikum ernst genommen, weil ganz persönlich angesprochen
Aber im Laufe des Abends geht es weiter. Von der Lokal- zur Landespolitik und weiter hinauf zur Bundes- und zur Weltpolitik und noch höher, bis hin zur Scheinheiligkeit der Kleriker. Die Wellpappn beschreiben (und kommentieren) die Welt, in der wir leben – auf ihre Art versteht sich. Da wird Johann Sebastian Bachs „Toccata“ einer Geschichte über brennenden Flüchtlingsunterkünften in der Provinz unterlegt und in einer modernen Fassung von Johann Wolfgang von Goethes „Erlkönig“ wird die Zeitnot anhand einer rasanten Autofahrt in den Kindergarten des Jüngsten deutlich. Kultur im hier und jetzt, frech wie provokant.
Da werden Politiker auf bayrisch folkloristische Art derbleckt. Manchmal derb, aber nie unter der Gürtellinie, sondern immer aus der betonierten und begradigten und damit verschandelten Natur heraus. Aus der Sicht der Sehenden und Betroffenen. Ganz anders, als diese formschnittigen Entertainer in den werbungsgesättigten Medien, die sich als Außenseiter und Lästermäuler gerieren und doch zum System gehören, um am Ende nur larmoyant und piefig einzuknicken und beleidigt um Gnade zu flehen.
Musikalisch waren die drei ebenso unnachamlich wie virtuos. Tabea an Fiedel, Akkordeon, Schlagwerk und singend, wie auch Bastian mit Tuba, Trompete(!), Bass und Stimme. Kein Instrument scheint den Wells zu schwierig, und dem Hans schon gleich gar nicht.
Und was mit das Angenehmste an diesem Abend kultureller Superlative war, ist dieses generationsübergreifende Denken. Hier wird der Staffelstab des kritischen wie mündigen Bürgers ebenso weitergegeben, wie das gelebte Musikantentum. Das macht Hoffnung.
Was faul in Bayern ist –und in Aichach
Bei ihrem Auftritt in Blumenthal verteilen HansWell und dieWellbappn auch kräftige
Watsch’n an die lokale Politik
Von Theo Harzer
Aichacher Zeitung vom 18.04.2016
So war das auch am Freitagabend im Freiraum in Blumenthal, wo Hans Well zusammen mit den Wellbappn zu erleben war-allerdings ohne seinen Sohn Jonas, der zur Zeit aufWeltreise ist. Er wurde von „Sebastian“ ersetzt, einem Trompetenstudenten, der aus dem bayerischenWald kommt, aber ansonsten „ganz normal ist.“ „Das ist auf jeden Fall das Highlight des Veranstaltungsfrühjahrsblocks“, meint der Blumenthaler Organisator Stefan Linck zu dem Programm „Schneller“. Hans Well balanciert zwischen scharfer Kritik an Gesellschaft und Politik und alltäglichen Banalitäten, wie der Fahrt zum Kindergarten des Sohnes. Besonders die CSU-Verantwortlichen aus Bayern und deren Wähler bekommen ihr Fett ab. Das beginnt schon im ersten Song: Well hat eine Strophe auf Aichach gedichtet, die Stadt, „wo die Bundestagsabgeordnete Eberl in Pöttmes entgleist, und a Aichacher Journalistin aus’m Saal schmeißt“ oder „wo sich de Windradgegner bitter beklogn, dass d’Windradl Schnakn und Brems daschlogn.“ Dem gebürtigen Willprechtszeller schmeckt weder der langwierige Ausbau der B 300 noch das unansehnliche Gewerbegebiet bei Dasing oder die eigennützigen Entscheidungen des Bauunternehmers und Stadtrats Jung. Bei Well und seinen Wellbappn bleibt niemand ungeschoren.
Nicht die CSUler im eigenen Dorf, die sich gegen Asylbewerberheime und Ökostrom wehren und auf Widerspruch mit Sprüchen wie „Erst 35 Jahre hier wohnen und scho s’Maul aufreißen!“ reagieren. Nicht Ministerpräsident Seehofer mit seinen verqueren Vorstellungen zu Asyl, Maut und „bayerischem Reich“. Und auch nicht Bundespolitiker wie Schröder, Profalla oder Niebel, die ihre Positionen nutzen, um in der Wirtschaft Managerjobs zu ergattern. Genauso wie über politische Missstände kann sich Well aber auch über das Verhalten seiner Mitmenschen mokieren. Da sind die Mütter, die sich während der Fußballspiele ihrer Söhne in die Haare kriegen und dabei besser Rugby spielen als ihre Söhne Fußball. Oder der Vater, der aus Angst, sein Kind zu spät im Kindergarten abzuliefern, viel zu schnell Auto fährt: „Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? – Oh, Vater, siehst du das Zone-30-Schild nicht?“ Auch dem deutschen Wetter war ein Lied gewidmet: Die Familie entscheidet Pfingsten „dahoam“ zu verbringen, und erlebt dabei eine Sintflut, denn der deutsche Sommer ist so regnerisch wie der Winter in England. Ob das vielleicht mit dem Klimawandel zusammenhängt? Auch hierzu gab die Wellfamilie einen Titel zum Besten, eine Dystopie, in der Hamburgs schaurige Zukunft in der Nordsee liegt und die Flüchtlinge nicht aus Syrien kommen, sondern aus den Niederlanden, von nebenan. Apocalypse now also überall. Die zentralen Themen unserer Zeit unterlegen die Wellbappn mit bayerischer Volksmusik. An diesem Abend kamen sicher zehn Instrumente zum Einsatz, zum Beispiel Trompete, Tuba, Kontrabass, Akkordeon, Geige oder Gitarre. So wie man das von den Biermösl Blosn eben gewohnt ist. Hans Well und die Wellbappn bereiteten dem von MdB Eberl, von „Metasdasing“ und B 300-Ausbau gebeutelten Aichacher Publikum jedenfalls einen vergnüglichen Abend – Sprach- und Musikkunst auf höchstem Niveau. Erfreulich war, dass sich Hans Well und seine Combo nicht ins Biermösl-Blosn-Museum stellen, sondern neue Töne finden, ohne an ihrer bajuwarischen Fundamentalkritik Abstriche zu machen. Im Land der Bai-wa ist vielleicht anderes faul als vor 30 Jahren – aber sicher nicht weniger.
Von Hans Eder
Photos Hans Eder
Südostbayerische Rundschau vom 27. Juni 2016
Otting/Waging am See. Das war eine gute Idee der Kreistagsfraktion der Grünen: Sie hat all die vielen in Helferkreisen tätigen Personen im Landkreis zu einem unterhaltsamen Abend im Gasthaus Oberwirt in Otting eingeladen. An die 150 Besucher werden es gewesen sein, die der Einladung gefolgt waren – und sie erlebten einen vergnüglichen, durchaus aber auch nachdenklichen machenden Auftritt von Hans Well und seinen Kindern, den „Wellbappn“. Das Programm hätte nicht passender sein können, hat sich doch Hans Well, der Kopf der einstigen „Biermösl Blosn“, seinen Ärger darüber, wie sich viele Politiker zum Thema „Asyl“ stellen, in vielen Liedern von der Seele geschrieben. „Großartiges geleistet“Marianne Penn, Burgi Mörtl- Körner und Inge Kämpfl von der Grünen-Kreistagsfraktion begrüßten die Besucher mit einem großen Kompliment: „Es ist großartig, was ihr alle im Landkreis geleistet habt und noch leistet, und überhaupt nicht selbstverständlich.“ In allen betroffenen Dörfern und Städten hätten sich Ehrenamtliche gefunden und sich um Asylsuchende gekümmert. Als kleines Dankeschön habe man diesen Abend explizit für alle Helfer organisiert. Dann zählten die drei Damen exemplarisch auf, wofür die Mitglieder der Helferkreise stehen: Sprachunterricht, Kontakt zum Jobcenter, Übersetzungen, Formulare ausfüllen, „die wir selbst fast nicht ausfüllen können“ – dafür gab’s breiten Applaus – Wohnungssuche, Arzttermine, psychologische Betreuung, kulturelle Einbindung, Sorgen und Nöte anhören und vieles andere mehr. Dank galt auch Hans Well und seinen Kindern, die auf die Anfrage rasch und ganz positiv reagiert hätten: „Ja, freilich kommen wir.“ Für die Wellbappn war dieser kurzfristig anberaumte Termin etwas anders als gewohnt: Zum einen fehlte Tochter Tabea, die „bei dem Sauwetter krank geworden Abend mit den „Wellbappn“ für Helferkreise war“, wie der Vater bekannt gab, zum anderen war nach einjähriger Weltreise Sohn Jonas erstmals wieder von der Partie; und er konnte die Texte immer noch alle so gut wie auswendig.
Urbayerisch und widerborstig
Am Ende des Abends waren alle zufrieden: das Publikum, weil es sich gut zwei Stunden lang bestens unterhalten fühlte, die Künstler, weil sie trotz einiger kleiner, allerdings durchaus charmanter Holprigkeiten ihr Programm prächtig über die Bühne gebracht hatten, und schließlich auch der Veranstalter, in diesem Fall die Süddeutsche Zeitung, weil der große Stadtsaal im Veranstaltungsforum bis fast auf den letzten Platz gefüllt war und somit ordentlich Geld in die Kasse des SZ-Adventskalenders kam. Das Hilfswerk der Süddeutschen Zeitung unterstützt schon seit mehr als sechs Jahrzehnten Bedürftige – auch im Landkreis Fürstenfeldbruck. Alleine in den vergangenen zehn Jahren, sagte SZ-Redaktionsleiter Gerhard Eisenkolb am Mittwoch zum Beginn der Benefizveranstaltung in Fürstenfeld, seien mehr als eine Million Euro an Spendengeldern in den Landkreis geflossen. Der Bedarf ist unbestritten nach wie vor groß, die Hilfsbereitschaft der SZ-Leser aber auch.
Ganz ohne Zweifel: Für einen gelungen Auftakt der diesjährigen Adventskalender- Aktion haben am Mittwochabend der Münchner Schauspieler Michael Lerchenberg und die Musikerfamilie Well aus dem Türkenfelder Ortsteil Zankenhausen gesorgt. Daran vermochte auch die Tatsache nichts ändern, dass Jonas Well erst vor kurzem eine Zahnspange verpasst bekommen hat („super zum Trompetespielen“) und dann unglücklicherweise auch noch in den Stimmbruch gefallen ist. Hans Well, bis vor kurzem noch Führungskraft der jetzt schon legendären Biermösl Blosn, spielte mit seinen Kindern Tabea und Jonas dennoch so unbekümmert und rotzfrech drauflos, dass ihnen das Publikum auch die kleinen Fehler und Textunsicherheiten jederzeit verzieh. Well hatte auch eine durchaus plausible Erklärung dafür, dass nicht alles wie am Schnürchen klappte: „Das G 8 ist schuld“, sagte er, „die Kinder haben kaum noch Zeit zum Üben.“
Wer meinte, dass der politische Teil des Abends damit auch schon wieder beendet war, sah sich allerdings ganz schnell auf dem Holzweg – oder kennt die Wells nicht. Die stellen sich nicht einfach auf die Bühne, schalten den Weichspülgang ein und spielen Adventslieder, dass einem ganz warm ums Herz wird. Ja, man ist sogar geneigt zu sagen, dass der Name „Wellsittiche“, den sich die Well-Kinder für den Benefiz-Abend der SZ zugelegt haben, arg in die Irre geführt hat, weil er gar so brav und harmlos daherkommt. Denn wenn sie in ihren Liedern schon ein kirchliches Thema aufgreifen, dann kommen in dem Text garantiert der Regensburger Bischof Müller und der Augsburger Ex-Bischof Mixa vor, von denen sich nicht viel Gutes sagen lässt, außer, dass sie höchstwahrscheinlich ziemlich fromm sind. Die Feststellungen, dass „Islamisten nix so sehr fürchten wie einen Andechser Doppelbock“ und die NPD vor allem dann „ein Riesenproblem hat, wenn der Verfassungsschutz verboten wird“ seien einfach mal so in den Raum gestellt. Und wer den wahren Schuldigen für das Scheitern von Münchens Olympia-Bewerbung sucht, voilà: Die Wells stellen ihr Lied vor, mit dem sie der Landeshauptstadt ihren Auftritt in Durban verdorben haben – eine Schuhplattl-Einlage von Jonas inklusive.
Das alles geht natürlich sehr gut zusammen mit den Texten von Oskar Maria Graf, der auch so ein Unbequemer war und den die Obrigkeit kreuzweise konnte. Der Schauspieler Michael Lerchenberg liest die Geschichten, die vor Kraft nur so strotzen, mit sparsamen Gesten und großer Sensibilität, ohne sich selbst über Gebühr zu inszenieren. Es sind Texte, die von Grafs Kindheitserinnerungen in Berg am Starnberger See handeln, von Ludwig II., dem Kini, der dort als Leiche aus dem Wasser gezogen wurde, wenn er nicht vielleicht doch auf die andere Seeseite geschwommen ist. Und vom Wesen des bayerischen Humors an sich sowie von der Zeit im New Yorker Exil, wohin Graf vor den Nazis flüchten musste und wo er nie richtig heimisch geworden ist. Oskar Maria Graf ist auch in Amerika durch und durch ein Bayer geblieben und die Wells müssen ihn aus seinen Büchern offenbar ziemlich gut kennen.
Hans Well & Co -die Welt in der wir leben
www.kultkomplott.de vom 09. April 2016
Von Jörg Konrad
Olching. Ist er Kabarettist oder ist er Komiker? Vielleicht auch „nur“ Musiker oder Dichter, oder doch Systemkritiker? Hans Well, der 9. Sproß der Well-Dynastie aus der Gemarkung Willprechtszell im Landkreis Aichach-Friedberg ist vor allem eines: Hans Well. Ein authentischer Zeitgenosse, geradeheraus im Denken, genial im Spielen und ausgestattet mit jeder Menge Humor. Und die Wellbappn, in Hochdeutsch so viel wie „vorlautes Mundwerk“, sind seine Plattform, die ihrem Namen alle Ehre machen. Wie gestern im Olchinger KOM. Wenn auch in abgespeckter Besetzung mit Tabea Well, Sebastian Gröller (statt Jonas Well) und Hans, ihm selbst. Bei ihnen gibt es kein unverbindliches „Hallo Olching“. Gleich im ersten ihrer gstanzelartigen Spottgesänge kommt ihre eingehende Beschäftigung mit der Politik vor Ort zum Ausdruck. Und sofort ist auch das Eis gebrochen – man fühlt sich als Publikum ernst genommen, weil ganz persönlich angesprochen
Aber im Laufe des Abends geht es weiter. Von der Lokal- zur Landespolitik und weiter hinauf zur Bundes- und zur Weltpolitik und noch höher, bis hin zur Scheinheiligkeit der Kleriker. Die Wellpappn beschreiben (und kommentieren) die Welt, in der wir leben – auf ihre Art versteht sich. Da wird Johann Sebastian Bachs „Toccata“ einer Geschichte über brennenden Flüchtlingsunterkünften in der Provinz unterlegt und in einer modernen Fassung von Johann Wolfgang von Goethes „Erlkönig“ wird die Zeitnot anhand einer rasanten Autofahrt in den Kindergarten des Jüngsten deutlich. Kultur im hier und jetzt, frech wie provokant.
Da werden Politiker auf bayrisch folkloristische Art derbleckt. Manchmal derb, aber nie unter der Gürtellinie, sondern immer aus der betonierten und begradigten und damit verschandelten Natur heraus. Aus der Sicht der Sehenden und Betroffenen. Ganz anders, als diese formschnittigen Entertainer in den werbungsgesättigten Medien, die sich als Außenseiter und Lästermäuler gerieren und doch zum System gehören, um am Ende nur larmoyant und piefig einzuknicken und beleidigt um Gnade zu flehen.
Musikalisch waren die drei ebenso unnachamlich wie virtuos. Tabea an Fiedel, Akkordeon, Schlagwerk und singend, wie auch Bastian mit Tuba, Trompete(!), Bass und Stimme. Kein Instrument scheint den Wells zu schwierig, und dem Hans schon gleich gar nicht.
Und was mit das Angenehmste an diesem Abend kultureller Superlative war, ist dieses generationsübergreifende Denken. Hier wird der Staffelstab des kritischen wie mündigen Bürgers ebenso weitergegeben, wie das gelebte Musikantentum. Das macht Hoffnung.
Was faul in Bayern ist –und in Aichach
Bei ihrem Auftritt in Blumenthal verteilen HansWell und dieWellbappn auch kräftige
Watsch’n an die lokale Politik
Von Theo Harzer
Aichacher Zeitung vom 18.04.2016
So war das auch am Freitagabend im Freiraum in Blumenthal, wo Hans Well zusammen mit den Wellbappn zu erleben war-allerdings ohne seinen Sohn Jonas, der zur Zeit aufWeltreise ist. Er wurde von „Sebastian“ ersetzt, einem Trompetenstudenten, der aus dem bayerischenWald kommt, aber ansonsten „ganz normal ist.“ „Das ist auf jeden Fall das Highlight des Veranstaltungsfrühjahrsblocks“, meint der Blumenthaler Organisator Stefan Linck zu dem Programm „Schneller“. Hans Well balanciert zwischen scharfer Kritik an Gesellschaft und Politik und alltäglichen Banalitäten, wie der Fahrt zum Kindergarten des Sohnes. Besonders die CSU-Verantwortlichen aus Bayern und deren Wähler bekommen ihr Fett ab. Das beginnt schon im ersten Song: Well hat eine Strophe auf Aichach gedichtet, die Stadt, „wo die Bundestagsabgeordnete Eberl in Pöttmes entgleist, und a Aichacher Journalistin aus’m Saal schmeißt“ oder „wo sich de Windradgegner bitter beklogn, dass d’Windradl Schnakn und Brems daschlogn.“ Dem gebürtigen Willprechtszeller schmeckt weder der langwierige Ausbau der B 300 noch das unansehnliche Gewerbegebiet bei Dasing oder die eigennützigen Entscheidungen des Bauunternehmers und Stadtrats Jung. Bei Well und seinen Wellbappn bleibt niemand ungeschoren.
Nicht die CSUler im eigenen Dorf, die sich gegen Asylbewerberheime und Ökostrom wehren und auf Widerspruch mit Sprüchen wie „Erst 35 Jahre hier wohnen und scho s’Maul aufreißen!“ reagieren. Nicht Ministerpräsident Seehofer mit seinen verqueren Vorstellungen zu Asyl, Maut und „bayerischem Reich“. Und auch nicht Bundespolitiker wie Schröder, Profalla oder Niebel, die ihre Positionen nutzen, um in der Wirtschaft Managerjobs zu ergattern. Genauso wie über politische Missstände kann sich Well aber auch über das Verhalten seiner Mitmenschen mokieren. Da sind die Mütter, die sich während der Fußballspiele ihrer Söhne in die Haare kriegen und dabei besser Rugby spielen als ihre Söhne Fußball. Oder der Vater, der aus Angst, sein Kind zu spät im Kindergarten abzuliefern, viel zu schnell Auto fährt: „Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? – Oh, Vater, siehst du das Zone-30-Schild nicht?“ Auch dem deutschen Wetter war ein Lied gewidmet: Die Familie entscheidet Pfingsten „dahoam“ zu verbringen, und erlebt dabei eine Sintflut, denn der deutsche Sommer ist so regnerisch wie der Winter in England. Ob das vielleicht mit dem Klimawandel zusammenhängt? Auch hierzu gab die Wellfamilie einen Titel zum Besten, eine Dystopie, in der Hamburgs schaurige Zukunft in der Nordsee liegt und die Flüchtlinge nicht aus Syrien kommen, sondern aus den Niederlanden, von nebenan. Apocalypse now also überall. Die zentralen Themen unserer Zeit unterlegen die Wellbappn mit bayerischer Volksmusik. An diesem Abend kamen sicher zehn Instrumente zum Einsatz, zum Beispiel Trompete, Tuba, Kontrabass, Akkordeon, Geige oder Gitarre. So wie man das von den Biermösl Blosn eben gewohnt ist. Hans Well und die Wellbappn bereiteten dem von MdB Eberl, von „Metasdasing“ und B 300-Ausbau gebeutelten Aichacher Publikum jedenfalls einen vergnüglichen Abend – Sprach- und Musikkunst auf höchstem Niveau. Erfreulich war, dass sich Hans Well und seine Combo nicht ins Biermösl-Blosn-Museum stellen, sondern neue Töne finden, ohne an ihrer bajuwarischen Fundamentalkritik Abstriche zu machen. Im Land der Bai-wa ist vielleicht anderes faul als vor 30 Jahren – aber sicher nicht weniger.
Von Hans Eder
Photos Hans Eder
Südostbayerische Rundschau vom 27. Juni 2016
Otting/Waging am See. Das war eine gute Idee der Kreistagsfraktion der Grünen: Sie hat all die vielen in Helferkreisen tätigen Personen im Landkreis zu einem unterhaltsamen Abend im Gasthaus Oberwirt in Otting eingeladen. An die 150 Besucher werden es gewesen sein, die der Einladung gefolgt waren – und sie erlebten einen vergnüglichen, durchaus aber auch nachdenklichen machenden Auftritt von Hans Well und seinen Kindern, den „Wellbappn“. Das Programm hätte nicht passender sein können, hat sich doch Hans Well, der Kopf der einstigen „Biermösl Blosn“, seinen Ärger darüber, wie sich viele Politiker zum Thema „Asyl“ stellen, in vielen Liedern von der Seele geschrieben. „Großartiges geleistet“Marianne Penn, Burgi Mörtl- Körner und Inge Kämpfl von der Grünen-Kreistagsfraktion begrüßten die Besucher mit einem großen Kompliment: „Es ist großartig, was ihr alle im Landkreis geleistet habt und noch leistet, und überhaupt nicht selbstverständlich.“ In allen betroffenen Dörfern und Städten hätten sich Ehrenamtliche gefunden und sich um Asylsuchende gekümmert. Als kleines Dankeschön habe man diesen Abend explizit für alle Helfer organisiert. Dann zählten die drei Damen exemplarisch auf, wofür die Mitglieder der Helferkreise stehen: Sprachunterricht, Kontakt zum Jobcenter, Übersetzungen, Formulare ausfüllen, „die wir selbst fast nicht ausfüllen können“ – dafür gab’s breiten Applaus – Wohnungssuche, Arzttermine, psychologische Betreuung, kulturelle Einbindung, Sorgen und Nöte anhören und vieles andere mehr. Dank galt auch Hans Well und seinen Kindern, die auf die Anfrage rasch und ganz positiv reagiert hätten: „Ja, freilich kommen wir.“ Für die Wellbappn war dieser kurzfristig anberaumte Termin etwas anders als gewohnt: Zum einen fehlte Tochter Tabea, die „bei dem Sauwetter krank geworden Abend mit den „Wellbappn“ für Helferkreise war“, wie der Vater bekannt gab, zum anderen war nach einjähriger Weltreise Sohn Jonas erstmals wieder von der Partie; und er konnte die Texte immer noch alle so gut wie auswendig.