Denk-mal-Amt

Kommentar von Hans Well – April 2024

Wie Bastionen medialer Meinungsvielfalt ragen Bauten der Rundfunkanstalten aus der Mitte der Landesstädte. Der Deutschlandfunk in Köln, Funkhäuser des SWR, NDR, RIAS Berlin stehen wegen ihrer Bedeutung für Medien- und Stadtbaugeschichte unter Denkmalschutz. Dem 1963 von Intendant Wallenreiter mit den Worten „dem guten Ton ein Haus gebaut“ eröffneten Studiobau des Bayerischen Rundfunks (BR), aus dem 74 % Radiohörer täglich mit 7 Hörprogrammen versorgt werden, droht nach 60 Jahren ein unguter Mißton per Abrissbirne. Die Hetze rechter CDU und Voice of Rubel AfD Kreise gegen Gebührenerhöhungen sowie eigene Fehler zwangen den BR zum strikten Sparkurs (außer beim Intendantinnengehalt). Als Grund und Boden in teuren Citylagen mehr in Quadratmillimetern als Metern gehandelt wurde, zog es auch den BR aus der Stadtmitte Richtung Klärwerk Freimann. In dieser geruchsbedingt günstigen Sumpflage wuchs sein neues Dahoam. Dem in zentraler Filetlage peu a peu verwaisten Studiobau aber droht nun das Ende. An seiner Stelle plant man einen zu zwei Dritteln fremd genutzten Multi-funktionsbau. Dass der nicht nur historisch wertvolle Studiobau abgerissen wird, freut nicht alle. Viele fragen sich, warum dieses Technik- und Raumwunder-werk einem weder geplant noch genehmigten Multifunktionsbau oder Mediencampus in Freimann ohne Proberäume für Chor und Orchester weichen soll? Schließlich besitzt der BR über 10 Stockwerke auf 60 mal 60 Meter eine Radiocity, die Kenner zum Schwärmen bringt. Hinter dem Stahlskelettbau mit Muschelkalkplattenfassade birgt der Studiobau Schätze vom Feinsten. Akustikjuwelen wie 3 Konzert- und Aufnahmestudios, Proberäume, Dirigenten- Solistenzimmer, Klavierwerkstatt, Instrumentendepots, 9 Wortstudios für Hörspiele, Lesungen, Feature, Reportage, 35 Tonbearbeitungsräume, 1 Fernsehstudio und 85 Büros. Alle Studios akustisch entkoppelt, auf Federn gelagert. Zwei Konzertsäle auf dem Niveau der Elbphilharmonie, ideal für Klassik-, Jazz-, Volks-musik, Orchester- Konzerte, ARD Musikwettbewerb und Prix Jeunesse International. Alles mit einer Akustik und Technik, dass Weltstars wie Anna Netrebko, Christian Gerhaher oder Bobby Mc. Ferrin mit der Zunge schnalzen. Solch hochwertige Räume im multifunktionalen Neubau herzustellen wäre unbezahlbar. Den Abriß begründet die BR Spitze mit von 220 auf 300 Millionen gestiegenen Sanierungskosten. Die nicht einsehbaren Gutachten für Abriß- und Neubaukosten dagegen bleiben bei 200 Millionen. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragt offenbar niemand bei Elbphilharmonie oder Münchner Bauprojekten nach, deren Kosten nicht stagnierten, sondern zuverlässig um den Faktor 10 explodierten. Wäre Schönrechnerei bei Neubaukosten nicht so verbreitet, käme man nie auf den Verdacht, dass sich da trotz steigender Materialpreise jemand was zurecht rechnet, damit sich´s rechnet! Dagegen sind die Millionen zum Umbau der Unterföhringer Fernsehstudios als Interimslösung für Orchester und Chor ja eher bloß Peanuts. Sparfüchse könnten ja nachrechnen, ob man statt Fernsehstudios mit der Akustik einer Schafwolldecke nicht doch lieber die Studios 1, 2 und 3 mit dem Studiobau saniert. Besucher und Schulen schätzen die zentrale Lage bei Schülerbesuchen von Orchesterproben, weil dort Musik- nicht zu MVV Stunden werden. Derzeit steht das Kultur-Streichterzett Katja Wildermuth, Stefan Maier und Björn Wilhelm zudem für ihren leicht euphemisch als Kulturoffensive verkündeten Kahlschlag bei Sendungen wie kulturWelt unter Feuer. Doch statt mit Kritikern zu reden hat die Chefin offenbar ein Schweigegelübde abgelegt und ignoriert die Proteste renommierter Verlage, des PEN Deutschland, von Autoren wie Uwe Timm, Dories Dörrie, Alexander Kluge, Daniel Kehlmann.., SZ Annoncen, Künstlerdemos oder 10.000 Unterschriften. Hörer laufen Sturm gegen ein Formatradio statt Radio von For-mat. Bei 4 Minuten Kulturhäppchen, die in 3 stündige Unterhaltung versteckt sind, flüch ten Bayern 2 Stammhörer wie der Floh vom Hund. Mit der Bastion Studiobau schleift man leider auch deutlich am Niveau des Programms. Zweifelsohne sind Reformen nötig! Nur sollten sie nicht den Bildungsauftrag beschädigen. Gegen Voice of Europe und AfD „Fakten“ brauchts eher mehr öffentlich-rechtliche Qualität statt Abbau. Mei wie schön wär´s, wenn die BR Spitze ein paar der hervorragenden Features ihrer Kolleginnen über Nachhaltigkeit und Klimaschutz durch Gebäudesanierung anhörten und ernst nähmen. Leider ist dieser Irrealis der Realität geschuldet. Der Wert Grauer Energie ist für die BR-Spitze offenbar Graue Theorie, auch wenn die Intendantin öffentlich gerne von Green Production schwärmt. Allein beim Abbruch des im Kern gesunden Studiobaus werden 12.000 Tonnen CO2 freigesetzt, wertvolle Ressourcen vernichtet. Auch dem Rundfunk-und Verwaltungsrat mit der Vorsitzenden Ilse Aigner scheint Nachhaltigkeit so wurst zu sein wie die Plädoyers von Fachleuten. Der Bund Deutscher Architekten (BDA) appelliert wegen der Qualität, einzigartigen Historie und Nachhaltigkeit vehement für den Erhalt des Studiobaus. Ebenso das Denkmalnetz Bayern, Münchner Forum, der Deutsche Kulturrat, zuständige Bezirksausschuss oder der Bayerische Landesverein für Heimat-pflege. Und die Staatsregierung? Missbraucht den Denkmalschutz zu einer parteipoli-tisch motivierten Blockade eines Verkehrsprojekts der grün-rot regierten Stadt durch den Englischen Garten. Während ein privater Investor den Kaufhof am Stachus saniert, ignoriert die Regierung den Schutz, den andere Länder ihren Funkhäusern längst bieten. Vorbild geht anders! Das inspiriert so manchen Provinzfürsten! Bei der Realschule    Vilsbiburg, einem Bau im Corbusier Stil, verhält sich das Landratsamt Landshut wie ihr Vorbild Freistatt in vielen Fällen. Landrat Peter Dreier geht der engagierte Einsatz des BDA und üblicher Verdächtiger zur Rettung des Realschul-Gebäudes voll am Gesäß vorbei. Bei dem Gebäude im Brutalismus Stil agiert seine Exzellenz im Brutalismus Stil: wer ko der ko, also mit dem ko für dieses Kleinod. Entwürfe des BDA zur kostengünstigen Sanierung der vitalen Schule plus Anbau interessierten den Landrat so stark, dass er ihre Präsentation dazu nicht mal anschaute. Michael Kühnlein, den mit dem Oberpfälzer Kulturpreis für zeitgemäßes Bauen und niederbayerischen regiNO Architekturpreis prämierten regionalen BDA Vorstand, zeigte er wegen übler Nachrede an. Da ist Hopfen und Malz verloren. Beim Studiobau nicht! Eine Fachbehörde prüft derzeit noch. Sie heißt Motto und Verpflichtung entsprechend: Denk-mal-Amt!